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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 83
(PDF, 32 MB)
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haben ihn dem menschlichen Miteinander enthoben und zur Denkmalsgestalt gemacht
.

Hat Hebel das gewollt? Wir wissen es nicht. Wer sich in das hineindenkt, was Hebel
in seinen Briefen, Gedichten und Geschichten geschrieben hat, wird zu dem Schluß
kommen: Nein, das hat er nicht gewollt. Er war ein Mensch unter Menschen, einer wie
du und ich. mit Sorgen und Zweifeln, mit Freunden bei einem Glas Wein oder im
Theater, mit Bauchweh am Abend und mit Zahnschmerzen, die ihn schon vor sechs
Uhr morgens plagten und nicht schlafen ließen. Er hat einen Spatz um seine Freiheit
beneidet und sorgte sich um eine zugelaufene junge und halbverhungerte Katze, die
er in seinen frauenlosen Haushalt aufnahm und die ihm, nachdem er sie herausgefüttert
, mit ihrer Anhänglichkeit viel Freude bereitet hat.

Hebel war vor dem feierlichen, großherzoglichen Professor und obersten Kirchenmann
Badens, der er während seiner Amtsstunden zu sein hatte oder als der er
angesehen wurde, immer ein wenig unsicher und bange. Die Ehren- und Amtsperson,
die er zur eigenen Überraschung geworden war, ist ihm nicht in den Kopf gestiegen
wie manchen Leuten; sie ist ihm gelegentlich sogar nicht ganz geheuer oder peinlich
gewesen und hat ihn verlegen gemacht. Manchmal hat er auch über sie gelächelt oder
ein wenig gespottet. Im Grunde seines Wesens ist er nämlich das Oberländer Büebli
aus Hausen, das er gewesen, mit seinen Sorgen und Nöten, seiner Verbundenheit mit
der Natur und was auf Erden keucht und fleucht, auch am Hof in Karlsruhe geblieben.
Aus diesem Geist und dieser Erinnerung heraus hat er seine volksnahen Alemannischen
Gedichte geschrieben und später den Kalender des Rheinländischen Hausfreunds
voll Lebensklugheit. Humor und gesundem Menschenverstand mit seinen
Erzählungen. Rätseln. Ratschlägen und lehrreichen Nachrichten wie den Betrachtungen
über das Weltgebäude, über Spinnen. Eidechsen oder das Hexenmehl, über
geschichtliche Ereignisse und wie man rote, grüne oder blaue Tinte machen kann.

Hebel ist einer der großen deutschen Erzähler, wenn nicht der größte. Seine
Gedichte und Geschichten sind von klassischer Schlichtheit, geschrieben in einer
einfachen, bilderreichen Sprache. Sie haben das, was wahre Dichtung hat: Atmosphäre
. Der Leser sieht und riecht und erlebt etwas. Da stimmt alles: Sprache, Inhalt und
Anteilnahme, die auch den Le ser ergreift. Hebel hat Martin Luthers Rat beherzigt, daß
man den Leuten, für die man schreibt, aufs Maul sehen muß und, könnte Hebel
ergänzen, ins Herz. Er steht, wenn er schreibt, im Einverständnis mit dem, was er sieht
und weiß, in innerer Beziehung mit seiner Umwelt, mit der Natur, dem Sonnenaufgang
und dem Morgenstern, dem Habermark und dem hungrigen Spatz auf dem
Acker. Der Leser braucht darum kein Fremdwörterbuch und muß sich auch nicht
fragen, was gemeint ist; er versteht es ohne professorale Erklärungen. Eine solche Art
zu schreiben, ist freilich höchste Kunst.

Die Gedichte waren eine Verklärung seiner Kindheit und ihrer Welt, der Kalender
aber das Ergebnis dessen, was er in vielen Jahren gehört, beobachtet und gedacht hat:
die Summe seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis, gewonnen im Getriebe
der Welt, die für ihn vor allem die großherzogliche Residenz in Karlsruhe war. Hebel
spricht überall so unmittelbar zu seinen Lesern, daß es wenig oder nichts zu sagen hat,

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