Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 88
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0090
allen ein Königreich, das er den rechtmäßigen Inhabern einfach wegnahm, zukommen
ließ. Im Gegenteil: Hebel sagt, als er Napoleon durch Brienne gehen läßt: "... er
mag aber wohl sehr gerührt gewesen sein, wenn er da an die vorige Zeit gedachte und
an die jetzige, und wie ihn Gott in so kurzer Zeit und durch so viele Gefahren
unversehrt bis auf den neuen Kaiserthron geführt hatte".

Da sind alle Bestandteile für eine Sonntagsschulgeschichte beieinander, und es ist
wahrlich rührend, wie der "Rheinländische Hausfreund" Napoleon durch Gottes
Gnade und Fürsorge "in so kurzer Zeit und durch so viele Gefahren unversehrt auf den
neuen Kaiserthron" gelangen läßt.

Hebel ist bestrebt, einen Napoleon zu zeigen, der, von göttlicher Fürsorge begnadet,
trotz seinem hohen Stand gegenüber den Armen ein wohlwollend-treuherziger und
großzügiger Landesvater geblieben ist. Eine solche Darstellung erscheint zu jener
Zeit, 1809, nicht eben selbstverständlich. Sie läßt eher auf einen untertänig-bewun-
dernden oder von politischen Rücksichten bestimmten Kalendermann schließen,
hatte doch der badische Erbe Karl 1806 auf Napoleons Geheiß Stephanie von
Beauharnais, Fille de France, Napoleons Stieftocher, heiraten müssen. Hebel ist hier
ziemlich weit von seinem sonstigen und schätzenswerten Wirklichkeitssinn - Realismus
- entfernt. Über Napoleon wußte damals alle Welt aus Paris und eigenem Erleben,
daß er ein egoistischer, gewalttätiger und unausstehlicher Despot ohne Benehmen
war, ein Mann von allgemeiner Menschenverachtung, bereit, seinen imperialistischen
Zielen rücksichtslos eine Million oder mehr junge Menschen zu opfern. Die
Pariser empörten sich, wenn sich Napoleon maßlos rühmte oder sich gar Züge der
Großherzigkeit beilegte. "Selbst diese Geschmacklosigkeit hat er gehabt", sagten sie.
Was überall an den Höfen Europas Gesprächsstoff war, konnte am Hof in Karlsruhe
nicht unbekannt sein.

Darüberhinaus war Hebel 1804 unmittelbarer Zeitzeuge von der gewaltsamen,
allem Völkerrecht hohnsprechenden Verhaftung des Herzogs von Enghien, von
Geburt Mitglied des französischen Königshauses Bourbon-Conde, durch Napoleons
Häscher in Baden gewesen. Enghien wurde nach Frankreich verschleppt und fünf
Tage danach in Vincennes im Alter von 32 Jahren auf Befehl Napoleons erschossen,
einzig, weil er für Napoleon, der sich gewaltsam des französischen Thrones bemächtigt
hatte, eine eingebildete Gefahr darstellte. Napoleons brutales Verbrechen muß
vor allem in Karlsruhe tiefe Betroffenheit ausgelöst haben. Baden war schließlich
unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen, hatte sich Napoleon doch kaltblütig über
seine Hoheitsrechte und Neutralität hinweggesetzt, als er den Herzog von Enghien in
Euenheim auf badischem Gebiet festnehmen und nach Frankreich entführen ließ.
Wenig mehr als vier Jahre nach diesem, die damalige Welt bis nach Rußland doppelt
empörenden Verbrechen, nimmt jedoch Hebel die rührende Geschichte vom rechtschaffenen
, biederen und volksnahen Kaiser Napoleon und der armen Obstfrau in
Brienne in den Rheinländischen Hausfreund auf. Doch nicht nur dieses Verbrechen
Napoleons war weltweit bekannt geworden; ebensoviel Aufsehen und Abscheu hatte
1806 die durch Napoleon persönlich angeordnete Erschießung des Buchhändlers
Palm in Braunau erregt.

88


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0090