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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 182
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0184
unterscheidet Hertingen von Waldersbach. Dort der garstige "Roßschinder", der
die Vogesen - Kämme peitschende Nordostwind. Hier südlich-laue Lüfte aus der
Burgundischen Pforte, die Kräuterdüfte der Provence. Dort "elsässisches Sibirien
", hier "badische Toskana". Ein bukolischer Ort. hervorragend geeignet zur
Erholung von Körper. Seele und Geist. Eine Hilfe für den Arzt und dessen Therapie
. - War auch er ein Anhänger des Engländer Willis, der die Gestörten bei
Landpächtern unterbrachte, zu Arbeit und "moral management?" Wo hatte in den
folgenden Monaten der kranke Lenz "Kost und Logis?" Welche Wege im und ums
Dorf ist er segansen. oder wo wurde er "verwahrt"? - Auf alle Fragen keine
Antwort. Denn: "Jene Monate in Hertingen liegen völlig im dunkeln. Ein einziger
Brief von Lenz existiert. Keiner an ihn. Die Freunde in Weimar, in Straßburg, in
der Schweiz, sie schweigen" (Sigrid Damm).

Aber man kann sich nur schwer damit abfinden, daß es so ist. Man denkt an die
knapp zwei Wochen von Lenz in Waldersbach, die durch Oberlins Aufzeichnung
weltbekannt wurden. Was "Aufzeichnungen" doch bewirken! Und fehlender Aufzeichnungen
wegen von den fünf Monaten des Aufenthaltes in Hertingen keine
Spur! - Wer war dieser Arzt? Warum kein Krankenbericht, der doch seine Aufgabe
gewesen wäre, wenn er einen solchen Patienten so lange behandelte, den ihm ja
kein Geringer geschickt hatte, sondern der Oberamtmann in Emmendingen, der
Schwager und Jugendfreund des Berühmten in Weimar? Wie sorgfältig hat dieser
Arzt nach der richtigen Therapie gesucht? Oder hat er schnell aufgegeben und sich
dem Urteil angeschlossen:

"S'ist alles verloren an Jakob Michael Lenz!"

Im Juni 1779 schließlich kam dann Karl Heinrich Gottlob Lenz, der Bruder,
angereist, der in Jena studierte. Er war vom Vater beauftragt, den Kranken nach
Livland zu bringen. In Weimar hatte Karl von der Herzogin-Witwe, über Goethe,
an "60 Louis'dor "für die Reise erhalten. Bei einem gemeinsamen Spaziergang, so
erinnerte sich Karl, sprach Goethe "meistens in sehr liebreichem Andenken an
Jakob Lenz, und selbst seine Schwächen berührte er mit vieler Delicatesse". Und
in Emmendingen war Karl Lenz von Schlosser "mit einem bequemen halben
Wagen und raschen Pferden" für den Rest der Reise ausgestattet worden. Wir
wissen dieses alles durch einen Reisebericht, den Karl Lenz fast vierzig Jahre
später, im Januar 1817. inzwischen wohlbestallter Jurist in Riga, auf Drängen
eines Verehrers seines unglücklichen Bruders aus der Erinnerung niedergeschrieben
hat. Karl Lenz muß bei guter Sicht gefahren sein, denn er berichtet, es wären
ihm "die Schweizer Gebirge schon vor Augen" gewesen. Oder waren es die Vogesen
. die der Landesunkundige für die Alpen hielt? Das Wiedersehen mit Jakob in
Hertingen beschreibt Karl dann in einem einzigen lakonischen Satz: "Hier traf ich
meinen armen Bruder... kaum einzelne abgebrochene Worte waren aus ihm heraus
zu bringen."

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