http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-02/0146
Betreiben eines landwirtschaftlichen Gutes Erfolg gehabt hätte, darf man füglich
bezweifeln.
1920 drohte die Versteigerung von Schloß und Inventar. Als Notgemeinschaft
wurde der Bürgeln-Bund gegründet, der als gemeinnützige Stiftung das Schloß
erwerben und die Versteigerung des Inventars verhindern konnte: noch heute ist der
Bürgeln-Bund Eigentümer der Schloßanlage. Da es auch nach 1920 galt, das Schloß
einer Nutzung zuzuführen, übernahm es als privater Mieter für einige Jahre Kommer-
zienrat Dr. Sichler zum Wohnsitz. Mit großer Hingabe restaurierte er auf seine Kosten
die Schloßanlage, ergänzte abgegangene Inventarstücke, ließ dem Ganzen eine
liebevolle Pflege angedeihen. Heute ist Schloß Bürgeln als bedeutendes Kulturdenkmal
und als Wahrzeichen des Markgräflerlandes der Öffentlichkeit zugänglich.
Weithin sichtbar erstrahlt der barocke Schloßkörper in den für die Bagnato
typischen Farben Weiß und Rot über dem lieblichen Eggenen-Tal, dessen jährliche
Kirschblüte zu den Naturwundern des Marksräflerlandes sehört.
Die Innenräume können als glänzende Beispiele eines späten, für Vorderösterreich
typischen Rokoko gelten, und dies, obwohl nur der Bauherr, nämlich das Kloster St.
Blasien, vorderösterreichisch ist, das Bauwerk aber im markgräflichen Gebiet liegt.
Dieser Besonderheit. Propst eines katholischen und vorderösterreichischen Klosters in
fremdem, markgräflichem (und seit 1556 protestantischem) Gebiet zu sein, war man sich
in Bürgeln wohl bewußt. Ein Beweis dafür ist im Bildersaal zu erkennen, wo zahlreiche
illustre Vertreter des markgräflich-badischen Hauses auftreten, durchaus neben der
Kaiserin Maria Theresia und ihrem Gemahl Franz von Lothringen (die das Reich
verkörpern) und durchaus neben den Bauherren und mit den Markgrafen gleichberechtigten
Fürstäbten von St. Blasien. Meinrad Troger und Martin II. Gerbert.
Damit hat man bewußt der Tatsache Reverenz erw iesen, daß Bürgeln in marksräf-
lichem Gebiet liegt, und hat damit den zuständigen Landesherrn respektiert. Auch auf
die Verschiedenheit der Konfession ist diskret Rücksicht aenommen. indem die
katholische Linie des markgräflichen Hauses, obwohl sie hier nicht direkt zuständig
war, absichtsvoll hervorgehoben ist. Man erkennt hier Markgraf Ludwig Wilhelm
von Baden, den „Türken-Louis", und Sibylle Augusta, seine Gattin. Die katholische
Linie ist 1771 erloschen, also nachdem der Bildersaal gemalt war: danach gibt es nur
noch eine protestantische Linie der Markgrafen von Baden.
Wie es bei einer klösterlichen Einrichtung nicht überraschen kann, ist auf das
geistliche und geistige Zentrum der ganzen Anlage, die Kapelle, besonderer Wert
gelegt. In der ursprünglich dreiflügeligen (heute vierflügeligen) Anlage ist die
Kapelle der einzige Raum, der zwei Geschosse einnimmt, „ä Fitalienne". wie das in
der Sprache der Zeit heißt, d.h. durch die volle Höhe des Gebäudes greift. Die Wände
des vornehmen Saalraumes sind mit Stuckmarmorpilastern gegliedert, reicher Stuck
der späten Wessobrunner Schule ziert das Deckengewölbe, während der Hochaltar
des 18. Jh. nach der Säkularisation weggenommen wurde.
Einen besonderen Glanzpunkt des Raumes stellt das große Deckenfresko mit
Wiedergabe der Taufe Christi von Johann Morath aus Staufen bei St. Blasien dar. der
für das Kloster St. Blasien arbeitete, jedoch auch das Recht hatte, andere Aufträge
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