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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 186
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In ihrem Gedicht "Die ächzende Kreatur" stellt sie fest, daß nicht nur der Mensch,
sondern alle Kreatur "um Erlösung ächzt". Denn der Mensch hat "sein gesegnet
Reich" verdorben und "der Erde Lieblichkeit" zerstört.

Adalbert Stifter steht ganz in der Tradition Goethes. Herders. Jean Pauls und
Hebels, wenn er in einem Brief von 1854 schreibt: "Es gibt nichts Großes und nichts
Kleines. Der Bau des durch Menschenausen kaum sichtbaren Tierchens ist bewun-

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dernswert und unermeßlich groß ... Gott hat das Wort groß und klein nicht, für ihn ist
es nur das Richtige"Alles Seiende ist für Stifter wahr, und die Begriffe groß und
klein erscheinen ihm als willkürlich und nur von Menschen aufgestellt. In der Novelle
"Der Hochwald" läßt er den Jäger Gregor sagen: "Hat Gott der Herr dem Menschen
größere Gaben gegeben, so fordert er auch mehr von ihm - aber darum liebt er doch
auch nicht minder dessen andere Geschw ister. die Tiere und Gewächse". Diese haben
die Menschen aber mißbraucht, "weil sie im Hochmute sich die Einzigen w ähnen"l8).

In Stifters Werk ist das aber anders. So gehören etwa in der "Brigitta" bei der
Schilderung des Landlebens auch die Tiere in den menschlichen Umkreis hinein, und
im "Hagestolz" sind bei Ludmilla und ihrem Sohn Viktor ein alter, treuer Spitz und
einige Hühner "freundliche Umwohner". Stifter selbst hat Hunde sehalten und ihren
Tod wie den von Freunden beklast und betrauert.

CT

Auch bei ihm herrscht im Reiche der Natur eine gottgewollte Ordnung, in welche
der Mensch falsche Kategorien hineinbringt. So teilt er zum Beispiel die Tiere in für
ihn nützliche und in Raubtiere ein. was Stifter ablehnt. Deshalb läßt er den Jäger
Gresor im "Hochwald" zu den beiden Mädchen über einen kreisenden Geier sasen:
"Freilich ist er ein schönes Tier.... und daß sie ihn draußen ein Raubtier heißen, daran
ist er so unschuldig, w ie das Lamm: er ißt Fleisch, wie wir Alle auch, und er sucht sich
seine Nahrung auf. wie das Lamm, das die unschuldigen Kräuter und Blumen
ausrauft. Es muß wohl so Verordnung sein in der Welt, daß das Eine durch das Andere
lebt" 19>.

Bei Johann Peter Hebel und den deutschen Realisten besesnen wir dem. was Albert
Schweitzer die "Ehrfurcht vordem Leben" genannt hat. Ethisch ist für Schweitzer der
Mensch nur dann, "wenn ihm das Leben als solches heilig ist. das der Menschen und
aller Kreatur". "Leben erhalten und fördern" ist für ihn das "einzige Glück", wobei er
aber auch weiß, daß die Tiere auf Kosten anderer leben und auch wir fort und fort am
Leben schuldig werden20'.

Neben dem Themenkreis "Heimat" zeigt auch dieses Kapitel, wie sehr Johann Peter
Hebel den Realisten nahesteht.

Im letzten Teil meines Vortrags möchte ich nun noch auf die Vermenschlichung
oder Personifikation aller Dinge eingehen, die nach Wilhelm Altw egg das "eigentliche
Geheimnis" von Hebels Kunst bedeutet21'.

Schon Johann Gottfried Herder hat in seiner "Abhandlung über den Ursprung der
Sprache" von 1772 festgestellt: "Indem die ganze Natur tönt: so ist einem sinnlichen
Menschen nichts natürlicher, als daß sie lebt, sie spricht, sie handelt"22'. Daß dies in
den "Alemannischen Gedichten" besonders der Fall ist, hat J. Jacobi in seiner
Rezension von 1803 betont. Dort spricht er von der Phantasie des Dichters, "die

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