http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1997-01/0144
meinem Beitrag möchte ich mit Hilfe der Briefe von und an Lenz4' zeigen, welch
große Bedeutung die Stadt Basel und eine Reihe Basler Persönlichkeiten für den
in Weimar heimatlos gewordenen Lenz erlangen. 5'
An Isaak Iselin ist uns nur ein einziger Brief überliefert: Er stammt vom 28.
September 1777. Als ..ergebenster Diener" bedankt sich Lenz dort in barocker
Umständlichkeit für die Kontakte, die Iselin offensichtlich vor Lenzens Schweizwanderung
im Juni hergestellt hat: ..Hochedelgeborener Herr, insbesonders hochzuehrender
Herr Ratsschreiber! Nur zu lange habe ichs anstehen lassen. Ihnen,
mein v erehrungswürdiger Freund und Gönner, für alle Ihre mir in und außer Basel
erzeigten Gütigkeiten schriftlich meinen verbindlichsten Dank abzustatten. Die
Personen, an die Sie so gütig waren mir Adressen mitzugeben, verdienen in der
Tat alle Aufmerksamkeit und Achtung der Reisenden."
Wieder ist Lenz auf der Suche nach neuen Beziehungen: „Mein gegenwärtiger
Aufenthalt in Zürich wird mir täglich interessanter, und ich werde mich genötigt
sehen, ihn zu verlängern, wenn ich all die Vorteile daraus ziehen will, die er mir
anbietet. Die persönlichen Bekanntschaften sind desto anziehender, je länger man
sie kultiviert." Lenz erbittet von Iselin die Briefsammlung des Dichters Ewald
Christian von Kleist, der sich um die Jahrhundertmitte als Werbeoffizier in der
Schweiz aufgehalten und Bekanntschaften mit Bodmer und Breitinger geschlossen
hat: ..Nicht um die Beziehungen, die diese Briefe auf die Schweiz haben können,
sondern mehr um des Persönlichen willen, das von dem Charakter und den Meinungen
dieses mir so wichtigen Dichters durchscheinen muß, wünsche ich sie zu
sehen und zu studieren. Ich wollte diese Neugier gern bis Basel zähmen, wenn
nicht andere dringende Ursachen mir die Aussicht dieser Briefe in Zürich wünschbar
machten."
Interessant ist für uns heute dieser Brief auch deshalb, weil in ihm auf die
politische Situation in Zürich angespielt wird: „Von den hiesigen Unruhen werden
Sie anderweitige Nachrichten haben, die ein Fremder nie mit der Gründlichkeit
geben kann. Soviel drückt mich, daß ein Kopf doppelt so wichtig sein muß. der
Pläne in Republiken ausführen will und dieser Kopf steht an der Spitze der Züricher
Regierung. Noch in dieser Woche werde ich ihn persönlich kennenlernen."
*
Dieser „Kopf* ist der Kunsthistoriker Johann Heinrich Füssli. der seit 1775 als
Professor der Geschichte in Zürich tätig ist. Füssli macht Rousseaus „Emile" in
der Schweiz bekannt und will die Grundsätze des Rousseauschen Gesellschaftsvertrages
in seinem Land verwirklichen. Im Januar 1777 tritt er in den Züricher
Rat ein und wird einer der führenden Schweizer Politiker.
Der Brief Lenzens an Füssli61 vom 4. Juli 1777 ist der einzige, den Lenz in Basel
geschrieben hat. In ihm bittet er um den Vorschlag für eine „Marschroute" für seine
bev orstehende Reise Richtung Süden. Im Mittelpunkt des Briefes aber stehen historische
und politische Themen. Lenz bedankt sich für das „unschätzbare Manuskript"
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