http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1997-02/0058
Die Giebelfront gliedern zwei einfache Lisenen. Die so entstehende Aufteilung
der Fassadenfläche erinnert an romanische Kirchen Oberitaliens. (1833 hatte er für
die Epfenbacher Kirche bereits eine ganz ähnliche Fassade entwickelt.) Die Lisenen
deuten wohl auch die innere Raumteilung durch die Emporen an. Das ist
schlicht und logisch - zumal die Lisenen der Mauerverstärkung dienen können.
Pilaster oder gar Halbsäulen wären dagegen architektonische Lügen - sie wurden
von Hübsch geächtet. Daß er einen ersten Neubauentwurf der Bezirksbauinspektion
, der im Innern antike Säulen vorsah, ablehnte, überrascht nicht.
Die Kirche ist verputzt. Lieber wäre Hübsch wohl ein steinsichtiger Bau11'
gewesen (siehe Obersäckingen!), denn in unseren Breiten ist für ihn ein solcher
aus Witterungsgründen angemessener; außerdem kann man neben dem Willen zur
Sparsamkeit die Freude des Romantikers am Naturmaterial Stein unterstellen.
Hübsch hat für eine ganze Anzahl von Bauten in unserer Gegend Pläne geliefert
- für die katholischen Kirchen in Kandern (1827. leider stark entstellt) und Badenweiler
(1860-62), die Pfarrkirchen von Mengen (1836 ff.), St. Georgen bei Freiburg
(1866 ff., Abänderungen durch Lukas Engesser), Obersäckingen (1860-63)
und wohl auch Laufen.12' Im folgenden Kapitel wird noch einmal darauf zurückzukommen
sein.
Kein bedeutendes Bauwerk, aber ihrer Sonderstellung wegen sehr beachtenswert
ist die Inzlinger Kirche (Abb. 4). Frappierend ist, daß sich hier schon 1831
in der Provinz eine allerdings rudimentäre und unbekümmerte Neugotik ankündigte
! Spitzbogenfenster, Spitzbogenfriese. Staffelgiebel, im Innern Spitzbogenarkaden
! Friedrich Frinz, der Planfertiger, seit 1826 Bezirksbaumeister in Lörrach, war
Weinbrennerschüler. Sein neugotischer Alleingang wirkt so überraschend nicht,
wenn man weiß, daß auch sein Lehrer nach 1800 mehrfach neugotische Bauwerke
entworfen hatte (so etwa die Ökonomiegebäude des oben erwähnten Landhauses
in Bauschlott), überhaupt in seiner Frühzeit der auch im 18. Jahrhundert nicht
ganz vergessenen Gotik (England!) einiges abgewinnen konnte.13' Frinz fand aber
in unserer badischen Südwestecke so rasch keinen Gesinnungsgenossen. Erst zu
Beginn der Fünfzigerjahre wurde in Dossenbach eine nächste neugotische Kirche
gebaut.
Hübschs Frage „In welchem Style sollen wir bauen?" stellte man sich auch in
Basel. Die Antwort fiel anders aus als in der badischen Nachbarschaft. Melchior
Berri hatte sich bei seiner Italienreise offensichtlich nicht nur für die Überreste
der Antike, sondern auch für die der Antike verpflichtete Renaissance-Architektur
interessiert und sich gewiß auch schon zuvor mit Palladio beschäftigt. Das zeigt
das Landhaus Ehinger (1829) in Münchenstein, an dessen Loggien-Anbau die
Serliana (auch Palladiomotiv genannt) auffällt. Schon bei dem heute als Antikenmuseum
genützten Bau am St. Albangraben (1825/26) spielte er mit den Dreiecks-
giebel-Fensterverdachungen und den geschweiften Konsolen unter den Erdgeschoßfenstern
auf den Palazzo Farnese an, sowie bei seinem eigenen Wohnhaus in
der Malzgasse (1828) u.a. auf den römischen Palazzo della Cancelleria. Ein anderer
wichtiger Basler Architekt, Christoph Riggenbach (1810-63), erstellte am
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