http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1997-02/0069
Hübsch, der Lisenen zur Mauerverstärkung akzeptierte, Pilaster und Halbsäulen
aber als architektonische Lüge ablehnte. Auch im Innern ziert der Zahnfries. Die
Kapitelle der Arkadenpfeiler sind von alten Stilvorbildern ganz unabhängige Erfindungen
.
Was für die Rickenbacher und die Schwörstadter Kirche gilt, kann man auch
über die Feuerbacher (1847) sagen: Sie ist vom Weinbrenner-Klassizismus ebenso
weit entfernt wie von den in der zweiten Jahrhunderthälfte das Feld erobernden
Neo-Stilen. Der Bau liegt durchaus auf der Linie von Heinrich Hübsch und kann
als kleinere und noch einfachere Variante der Sulzburger Kirche gesehen werden,
wobei der Turm nun allerdings auf die Fassadenseite gewandert ist und dachreiterartig
auf dem First aufsitzt. Hübsch hat diese Dachreitertürme, wie soeben erwähnt
, nicht geschätzt.
Die neuromanischen Schallarkaden der Minseiner Kirche sollen schon von
1826 stammen. Mit ihrer perfekten Neuromanik würden sie um diese Zeit ein
absolutes Unikum darstellen, was vermuten läßt, daß sie doch erst später in der
heutigen Form entstanden sind.
Was können wir also Neues in den Vierzigerjahren beobachten? Das streng
tektonische Denken Weinbrenners gehörte nun weitgehend der Vergangenheit an.
Dazu paßt, daß das in der Spätgotik schon sehr beliebte Fensterbankgesims als
wirkungsvolles Gliederungselement (neu) entdeckt wurde. Der Segmentbogen
wurde bei Fenstern und Türöffnungen wieder akzeptiert. Die klassischen Wein-
brennerschen Fensterverdachungen des Hauptgeschosses mit Konsolen wurden oft
aufgegeben oder reduziert. Beliebt waren (bis in die Sechzigerjahre) Fensterrah-
mungen. die mit flachen Profilen die Fensteröffnung über dem Sims wie ein
Bilderrahmen umgeben. Vereinzelt griff man auf Gotisches zurück, ohne daß nun
eindeutige Neugotik entstand.
Heinrich Hübschs Einfluß wurde spürbar. Sulzburg besitzt ein frühes Beispiel
für den von ihm entwickelten Typ der einfachen Landkirche. Interessantes Neues
brachte das Blankenhornsche Anwesen in Müllheim. Manches an diesem Gebäude
blieb bis in die Sechzigerjahre aktuell.
Noch immer spielte die schlichte, verputzte Wandfläche bei der Außenwirkung
der Gebäude eine wichtige Rolle. Die ausgiebigere Verwendung von Haustein
oder auch Backstein, schließlich die volle Steinsichtigkeit, das variantenreiche
Rustizieren. die Vielfarbigkeit sollten sich erst in den kommenden Jahrzehnten
durchsetzen.
Die Fünfziger- und Sechzigerjahre
In Basel entstanden neben noch immer spätklassizistisch schlichten Bauten jetzt
historisierende Bauwerke, die auf verschiedene Stile zurückgriffen, wobei die archäologische
Korrektheit dieser Bauten deutlich größer war als in den vorhergehenden
Jahrzehnten. Johann Jakob Stehlin d. J., der rasch zum Stararchitekten
der Basler wurde, baute 1852/53 ein neugotisches Postamt an der Freien Straße,
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