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die der Aichele-Villa erinnern. Völlig abwegig ist der Hinweis auf dem Erläuterungstäfelchen
am Hause, es seien Jugendstilelemente vorhanden. Auch das Glasvordach
, das ein älteres ersetzt, hat mit Jugendstil absolut nichts zu tun.
Formen des Neubarock konstatieren wir auch beim Gebäude des Consum-
Vereins in der Lörracher Schillerstraße Nr. 2 (von der Firma Koechlin-Baumgart-
ner 1868 errichtet!), am ehemaligen Kindergarten dieser Firma an der Zeppelinstraße
und am Haus Baslerstraße 125. Der Kindergarten weist barocke Stichbogenfenster
mit Schlußsteinen im Erdgeschoß und einen barocken Krüppelwalm
auf. Das Obergeschoß ist dagegen spätklassizistisch gestaltet. Ein früher Neubarockbau
im Kreisgebiet war auch die durch Brand zerstörte Villa Majer (1860) in
Schopfheim (auf dem Gelände des heutigen IHK-Gebäudes) mit einer der Aichele
-Villa recht ähnlichen Dachgestaltung.
Ausgesprochen französisch wirkt eine andere Koechlin- Villa, der Landsitz im
Rosenfelspark mit seiner Haustein-Backstein-Fassade und den steilen Schieferdächern
. Sie wurde, wie Ch. M. Vortisch annimmt, bald nach 1865 erbaut25' (wohl
unter Einbeziehung der Grundmauern eines älteren Pavillons) und zeigt eine gewisse
Ähnlichkeit mit der Mülhausener Koechlin-Villa l'Ermitage von de Rütte
(1868).261 Hier bestimmt allerdings der Rückgriff auf die französische Renaissance
, nicht der Neubarock, die Architektur.
Die (noch erhaltene) Industriearchitektur soll nur kurz gestreift werden. Fast
manchesterhaftes Format hat der große Fabrikbau in Haagen am Gewerbekanal
bei „Schöpflin", auch der Bau im Haagener Hasenloch von 1853 (heute „Mö-
gro'") gibt trotz einiger Entstellungen noch eine Idee davon, wie die rein funktional
konzipierten Fabrikbauten aus dem mittleren 19. Jahrhundert aussahen. Die leider
abgebrochene große Gottschalk-Grethersche Baumwollspinnerei in Schopfheim
mit wuchtigem Zwerchgiebel dagegen stammte schon aus den Dreißigerjahren.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die Reihenhaussiedlungen der sog.
Koechlinhäuser in Lörrach (Baslerstraße u.a.)- die ersten entstanden 1856 - hingewiesen
. Die unmittelbaren Vorbilder sind in Mülhausen/Elsaß (rite ouvriere,
Dornach) zu suchen. Die großen, mehrstöckigen „Laborantenhäuser", die oft mit
einem Treppen und Abtritte aufnehmenden Laubenanbau versehen waren, entstanden
in der Mehrzahl erst später, sollen aber hier ebenfalls erwähnt werden.
In den Sechzigerjahren sind interessante, in der Grundtendenz verwandte, im
einzelnen aber recht unterschiedliche Kirchen gebaut worden.
1862 entwarf Hübsch für die Katholiken in Badenweiler einen eigenwilligen Zentralbau
. Dieser oktogonale Bau ist nun wirklich - ganz im Sinne von Hübsch -
unverputzt (s.o.). mehr noch: polychrom, also mit teils gelblichen, teils roten Klein-
quadem verblendet. Das Traufgesims ist mit Zahnschnitt und einem zierlichen Roset-
ten-/Kreuzfries verziert. Das erinnert an das Rathaus in Haltingen, die Bahnhofswirtschaft
in Eningen usw. (s.o.). Ein feines Gesims auf Kämpferhöhe der Rundbogenfenster
wird als dünne Archivolte jeweils über die Fensterrundungen fortgeführt.
Die Polychromie war seit den Dreißigerjahren ein zunächst sehr umstrittenes
Thema der führenden Architekten in Europa. Hübsch entschied sich in Badenwei-
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