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Neuenburg von einem Schuß in die Brust getroffen: er erlag den schweren Verletzungen
am 11. Oktober. Sänger war übrigens der einzige, der durch Kriegshandlungen
auf der rechtsrheinischen Seite in diesem Krieg sein Leben ließ. Ein
Schutzwehrmann von Buggingen erlitt Verletzungen am linken Bein, und die
Verwundung brauchte geraume Zeit, bis sie wieder ausgeheilt war. Die Einsatzfreudigkeit
des Verletzten wurde jedoch erheblich gedämpft, als er eine Arztrechnung
in Höhe von 21 fl. 22 kr. erhielt. Da er wegen der Verwundung wochenlang
keinen Verdienst hatte, war er nicht in der Lage, die Arztrechnung zu bezahlen.
Schließlich mußte das Ministerium ..großzügigerweise" die Kosten übernehmen.54'
Gegen Abend des 31. August zosen sich die Franzosen vom Rhein zurück, und
die Wachmannschaften der Badener wurden vom eintreffenden Militär abgelöst.
Ein Bataillon der Infanterie wurde auf die Gemeinden Neuenburg. Steinenstadt.
Schliengen. Bellingen. Bamlach und Rheinweiler verteilt. Am 7. September konnte
das Militär die aus Bellingen entführten Schiffe vom französischen Ufer bei
Neuenburg wieder zurückholen.
Zum gleichen Zeitpunkt tobte die Schlacht bei Sedan: Metz und Straßburg wurden
belagert. Noch während der Kampf um Straßburg in Gang war, hatte man auf
deutscher Seite den Entschluß gefaßt, das Oberelsaß vollständig zu besetzen und
den sich dort bildenden Partisanengruppen den Garaus zu machen. Es erging
Befehl, die Bevölkerung dort zu entwaffnen und dafür Sorge zu tragen, daß die
Franctireurs (Freischärler) vertrieben werden. So wurden in den Westen und Süden
des Elsasses Truppen ausgesandt, um das sich breitmachende Partisanentum
zu beseitigen. Man war der Ansicht, daß der Überfall auf Bellingen gezeigt habe,
daß man etwas unternehmen müsse. Dulde man diese Übergriffe, so könne man
sicher sein, daß weitere bald folgen würden. Es ging das Gerücht um. daß nicht
weniger als 5 000 Franzosen von Lyon her nach dem Rhein unterwegs seien und
man in Mülhausen durch den Krieg brotlos gewordene Fabrikarbeiter in die Reihen
aufnehmen und gemeinschaftlich mit ihnen ins südliche Baden einfallen woile.
Die Sache klang nicht so unwahrscheinlich und hatte Aussicht auf Erfolg. Die
Bewohner der bedrohten badischen Gegend befanden sich deshalb in einer nicht
geringen Aufregung. So wurden Offiziere nach Müllheim abgesandt, um sich von
der Sachlage zu unterrichten. Diese meldeten aber, daß kein Rheinübergang von
französischer Seite zu befürchten sei.35' Als erstes teilte das Gouvernement der
Festung Rastatt dem Bezirksamt Müllheim mit, daß es für Bellingen. Bamlach,
Rheinweiler und Schliengen je 15 Gewehre nebst 20 Patronen und die entsprechende
Anzahl Zündhütchen pro Gewehr zur Verfügung stelle.
Wie war der Überfall nun aus Sicht der Bellinger abgelaufen? Am 31. August
bedeckte dichter Nebel (der sogen. „Triibelbisser") die Rheinebene, was sowohl
den Weinbauern als auch den Franzosen gefiel, denn diese konnten zunächst unbemerkt
südlich von Bellingen in einen Altrheinarm eindringen und dann nördlich
des Dorfes anlegen. Gendarm Ulser aus Schliengen unternahm an diesem nebelverhangenen
Morgen einen Patrouillengang in Richtung Bellingen, als er plötzlich
wenige Schritte vor sich eine Anzahl Bajonette erblickte. Er brachte sich mit
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