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Wunsch getan. - Schnell, wie ein Blitz kommt und vergeht, kam es w ieder wie
Morgenrot und Rosenduft untereinander durch das Kamin herab, und auf den
Kartoffeln lag die schönste Bratw urst.
Im .Schlauen Pilgrim' versteht es Hebel vortrefflich, dem Leser den Mund
wäßrig zu machen, indem er das Essen, das der durchtriebene Müßiggänger von
der Wirtin mit den freundlichsten Worten erbettelt, gangweise in unserer Phantasie
auftragen läßt:
Wenn aber die Wirtin sagte: „Aber, frommer Pilgram, eine solche Suppe [der
Halunke hatte demütig um ein ..Wassersüpplein von Kieselsteinen" gebeten] kann
Euch doch unmöglich Kraft geben", so antwortete er: „Ei, wenn Ihr anstatt des
Wassers w ollet Fleischbrühe dazu nehmen, so w ar 's freilich nahrhafter. " Brachte
nun die Wirtin eine solche Suppe, und sagte: „Die Tünklein sind doch nicht so gar
weich worden", so sagte er, „Ja, und die Brühe sieht gar dünn aus. Hättet Ihr
nicht ein paar Gabeln voll Gemüs darein oder ein Stücklein Fleisch oder beides?"
Wenn ihm nun die mitleidige Wirtin auch noch Gemüs und Fleisch in die Schüssel
legte, so sagte er. „ Vergelt 's Euch Gott! Gebt mir jetzt Brot, so w ill ich die Suppe
essen."
Daß Essen und Trinken zuweilen in schädlicher Völlerei ausartet, ist nicht erst
heute bekannt. Man wußte davon schon zu Hebels Zeiten, wie wir der Kalendergeschichte
.Der geheilte Patient* entnehmen können:
Den ganzen Nachmittag aß und trank er ebenfalls, bald etwas Kaltes, bald
etw as Warmes, ohne Hunger und ohne Appetit, aus lauter Langerw eile bis an den
Abend, also, daß man bei ihm nie recht sagen konnte, w o das Mittagessen aufhörte
, und wo das Nachtessen anfing. [...] „Ihr müßt zu mir kommen [sagte der Arzt].
Aber für's erste, so dürft Ihr nicht fahren oder auf dem Rößlein reiten, sondern
auf des Schuhmachers Rappen, sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt
Euch die Eingeweide ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Für's andere
dürft Ihr nicht mehr essen, als zweimal des Tages einen Teller voll Gemüse,
mittags ein Bratwürstlein dazu, und nachts ein Ei, und am Morgen ein Fleisch-
süpplein mit Schnittlauch drauf. Was Ihr mehr esset, davon wird nur der Lindwurm
größer, also daß er Euch die Leber erdrückt, und der Schneider hat Euch
nimmer viel anzumessen, aber der Schreiner. "
Lassen Sie mich, verehrte Anwesende zum Schluß an den Anfang zurückgehen.
Ich hatte Sie darauf aufmerksam gemacht, daß der Titel dieser Rede keine thematische
Einschränkung enthält. Damit ist der Weg offen, gwundrig nachzusehen,
welche Bedeutung für Hebel Essen und Trinken außerhalb seiner Dichtung gespielt
hat. Ob Essen und Trinken für ihn überhaupt ein Gesprächsthema war.
Die mögliche Auskunftsquelle ist genannt: Hebels Briefe an Gustave Fecht,
seine Vertraute in der heimatlichen Ferne. In der Ausgabe von Wilhelm Zentner
(Karlsruhe 1921) begegnet uns Hebel als „Caffee-Genießef" im Brief von Ende
August 1799:
Tobel ist ein hoher Berg hinter Frauenalb mit einem würtembergischen Pfarrdorf
, das ein sehr wohl eingerichtetes Wirtshaus hat; auf drei Seiten dunkler
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