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hingegeben, zogen die beiden eines Morgens durch den „Wolf" (Rebgewann),
Blansingen zu. Auf dem Weg traf Pfarrer Albrecht einen Bekannten aus Kleinkems.
welcher Ratschreiber und gleichzeitig Gemeinderechner war. Da stach den Pfarrer der
„Haber", und er stellte seinen Freund Vierordt als „Kassenuntersuchungsbeamten"
aus Karlsruhe vor. Vor Schreck fiel dem Kleinkemser die Haue auf den Boden. Aber
damit noch nicht genug. Die beiden „Spitzbuben" waren mittlerweile nach Blansingen
gekommen, wo sie im Gasthaus zum „Römischen Hof* einkehrten. Da stach den
Pfarrer der „Haber" wieder. Diesmal stellte er seinen Freund als „Mitglied des Reichsgesundheitsamtes
" aus Berlin vor. der gekommen sei. die Markgräfler Weine auf ihre
Echtheit nachzuprüfen. Neuer Schreck! Leichenfahl verließ die Wirtin die Wirtschaft,
eilte in den Keller und brachte den beiden noblen Gästen einen besonders guten Wein.
Was aber brachte Albrecht in solch frohe Stimmung? Er hatte schon in früheren
Jahren gedichtet und auch veröffentlicht. Aber er hatte das Gefühl, als ob man seine
geistigen Gaben nicht anerkenne. Diese seelische Belastung tat jedoch seinem körperlichen
Zustand nicht gut. Hier aber in Kleinkems. in dieser wunderbaren Umgebung,
im Studierzimmer des Pfarrhauses, vor sich den Rhein und die Ebene des Elsaß,
gelang ihm ein großer Wurf: Er schrieb drei Geschichten, die im „Gottestübli" erschienen
, einem oberrheinischen Jahrbuch, das 1881-1884 im Verlag Uehlin in
Schopfheim herausgegeben wurde.
Selbst eine Hebelnatur, konnte Albrecht den schüchternen und doch schalkhaften
jungen Hebel unnachahmlich schildern in „Der Präzeptoratsvikari". In die
Tage des Türkenlouis führt meisterhaft „Des Markgrafen Leibmedicus". Besonders
aber fesselt die herbe Schönheit der „Häfnetjungfer". In dieser Rebländer
Dorfgeschichte schildert Albrecht in Anlehnung an eine Volkssage eine schlanke
Markgräflerin mit hartem Alemannenkopf und stolzem Sinn.
Albrecht ist der gemütvollste und feinsinnigste Erzähler, der wie kein anderer
Hebels volkstümliche und humorvolle Art nachempfunden und weitergebildet hat.
Schon in den 1860er Jahren hatte Albrecht begonnen, angeregt von Joseph Viktor
von Scheffel, Prosatexte zu verfassen. Erste Werke seines Schaffens waren: „Der
Fall Jerusalems", eine geschichtliche Darstellung (1868): die Chronikdichtung
„Bruder Ludwig, der Wasgauer", zeichnet ein Bild des Breisgaus aus dem Beginn
der Reformationszeit und ihrer Geistesbewegung (1872). In die Kämpfe des Dreißigjährigen
Krieges führt „Der Schwedenjunker", ein Epos in Scheffels Trompeterversmaß
(1873). In dem historischen Lustspiel „König Eoban" stellt Albrecht
den Humanisten Eoban und das Heidelberger studentische Leben dieser Zeit lebendig
vor Augen (1875). Es folgten weiter ein Roman „Ins neue Land" - aus
Johann Jakob Astors Lehrjahren (1890), eine „Hebel-Biographie" (1905) und ein
weiterer Roman „Anno Sechsundneunzig" (1905).
Auf der Höhe seines Schaffens wirft ihn das alte Leiden wieder so sehr nieder,
daß er um seine Zurruhesetzung bittet. Er verläßt Kleinkems und muß sich dürftig
mit seiner sechsköpfigen Familie in Freiburg durchschlagen, wo er sich aber bald
w ieder um eine Pfarrstelle bewirbt, die er dann auch in Laufen (bei Sulzburg) erhält.
Seine Antrittspredigt hielt er dort am 16. Januar 1888. Aber im Laufe der Zeit
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