http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2000-02/0068
und verlassen über Nacht Familie, Arbeitsplatz. Heimat. Hunderttausende - davon
viele aus Europa - schließen sich an. Fünfzig Jahre später, im Jahre 1898, entdeckt
man die großen Goldvorkommen an einem Fluss, den Jack London3' mit seinen
Romanen legendär machte: Den Clondike. Der beschwerliche Weg dorthin, in den
hohen Norden Kanadas, bedeutet für Hunderte den Tod. Tausende von Familien
sind davon betroffen. Der Goldrausch erfasst nun auch Alaska.
In russischer Kriegsgefangenschaft sterben im 20. Jahrhundert Tausende in den
Goldbergwerken Sibiriens. Nach der Entlassung der letzten, wenigen Überlebenden
geht die Arbeit in den Goldminen aber weiter! Jetzt werden russische Bürger
zur Zwangsarbeit in den Goldminen verurteilt: Zehntausende werden ihre Familien
nicht wiedersehen.
Und ein letztes Streiflicht auf die Goldbergwerke Südafrikas vor 1994: Im
goldreichsten Land der Welt sterben in einem Jahrhundert mehrere 10 000
schwarzer Arbeiter, billigend in Kauf genommen für die Produktion von 40 000
Tonnen Gold - grausame Konsequenz eines Apartheid-Regimes.41
Wir erinnern auch an das tragische Schicksal der nordamerikanischen Indianer
und der australischen Aborisines - das ohne die Gier der Weißen nach dem Gold
so kaum vorstellbar ist.
Selbst heute beherrschen überwiegend negative Schlagzeilen das Edelmetall:
Seien es die grauenhaften Berichte über südamerikanische Goldwäscher, welche
die ansässige Urbevölkerung gezielt ausrotten und mit der praktizierten Quecksilberausfällung
wissentlich die gesamten Gewässersysteme der Region auf Jahrzehnte
verseuchen. Oder die Folgen neuzeitlicher montaner Goldgewinnung: Am
10. Februar 2000 bricht im rumänischen Goldbergwerk in Baja Mare der Damm
eines Rückhaltebeckens mit hochgiftigem Cyanid-Schlamm.
Cyanide sind die Salze der Cyanwasserstoffsäure. besser bekannt unter dem
Begriff Blausäure, und werden bei der Goldgewinnung als Natriumcyanid (NaCN)
für das Auslaugen von Gold aus dem mit ihm verbundenen Begleiterz verwendet.
Mit dem Auslaufen der hochkonzentrierten Giftschlämme bricht über Rumänien.
Ungarn, Jugoslawien und Bulgarien eine Umweltkatastrophe von bislang nicht
gekanntem Ausmaße herein: Millionen von Fischleichen schwimmen die Theiß
hinunter, stumme Zeugen der schlimmsten Flusskatastrophe der neueren Geschichte
.5'
Weshalb - so fragt sich ein nachdenklich gewordener Betrachter - vermag
dieses Metall den Menschen so zu fesseln, so abhängig zu machen, dass er dabei
alles vergisst, verliert und zerstört, was ihn als Menschen auszeichnet: Verstand.
Vernunft, Kultur, Liebe und Toleranz?
Gold - was ist an diesem Element so einmalig? Und keineswegs nur aus dem
Blickwinkel mystischer Anschauung. Auch der nüchterne Wissenschaftler findet
die chemischen und physikalischen Eigenschaften durchaus faszinierend: So ermöglicht
die hohe spezifische Dichte des Goldes, dass die gesamte antike und
neuzeitliche Goldförderung der Erde lediglich einen Würfel mit einer Kantenlänge
von nur 18 Metern füllen würde.61
66
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2000-02/0068