http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0264
kann man nicht einmal bei einem neuen Haus, geschweige denn bei einem alten,
das bloß umgebaut wird und dazu von einem gar gestrengen Meister. Je länger, je
mehr wurde erkannt, daß ein eigenartiges, schönes, feines Werk erstand, ein Werk
nicht nach Schablone. Die gnädige Huld des Landesherrn, die dem ehrwürdigen,
mit der Geschichte des fürstlichen Hauses verbundenen Gotteshaus wohl wollte,
hat ihm in Oberbaurat Professor Karl Schäfer von Karlsruhe aber auch einen
Meister gegeben, dessen Auge tief in das Wesen der Baukunst der Altvordern
eingedrungen ist, vor dem ihr Geist und ihre Formen, ihre Linien und ihre Farben
sich auftun, wie vor einem, der selbst dabei war, vor dem das Alte lebendig wird,
daß es nicht mehr totes Leben ist, aus vergangener Zeit, sondern als lebensvolle
Gegenwart zu einem redet. Vielleicht zuerst manchmal unter Widerspruch. Weil
wir in unsern protestantischen Kirchen der Farbe entwöhnt sind, weil wir sie meist
nicht anders kennen als kahl, grau, nüchtern, eintönig, weil wir der Meinung sind,
frohe Farbe, Schönheit in der Kirche sei etwas „Katholisches". Als ob der Protestantismus
ein für alle Mal dazu verurteilt wäre, in diesen Dingen arm zu sein. Als
ob das Dogma wäre! Dann wären wir in der Tat arme Leute. Aber Luther, der
schon immerhin ein Zeuge ist, hat die Kunst durchaus nicht aus der Kirche verbannt
, und das Evangelium des Heilands will ja nicht etwas Graues, Dunkles,
Trübes sein, sondern vielmehr ausdrücklich frohe Botschaft. Und wenn die Kunst
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