http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0046
Die Grenzacher Siedlung wirkte mit ihren Flachdächern so avantgardistisch,
dass sie bald den Spottnamen .Jericho" bekam. Konservativere Architekten hatten
Gelegenheit zum Triumphieren: Die Flachdächer bereiteten in der Folgezeit erhebliche
Kosten! Als man angesichts der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg
die Häuser aufstockte, was die heutige Denkmalpflege vermutlich verhindern
würde, ersetzte man dann auch die einst so progressiven Flachdächer durch
flache Walmdächer.
Zwischen diesen beiden Polen, der Neubarockarchitektur und der Neuen Sachlichkeit
der „Jericho"-Siedlung. bewegt sich, was bei uns sonst noch in der Zeit
zwischen den Kriegen aebaut wurde.
Es wurde erstaunlich viel gebaut, vor allem in Grenzach. Es entstanden zahlreiche
Ein- und Zweifamilienhäuser, die (fast) ohne historisierende Rückgriffe auskamen
und an Schlichtheit und Zweckmäßigkeit nichts zu wünschen übrig ließen.
Es sind Häuser, die vielfach zur Würfelform tendieren und mit Walmdächern,
gelegentlich, wenn der Grundriss quadratisch war. mit einem flachen Pyramidendach
(z.B. Markgrafenstraße 58) versehen waren. Diese Architektur war modern,
auch wenn sie zu den avantgardistischen Vorstellungen des Bauhauses Distanz
hielt und deren Architekten sicher noch von der nationalromantischen Bewegung
„Um 1800". dem Heimatstil oder den Ideen Ostendorfs, also Bestrebungen der
Vorkriegszeit, geprägt waren.
Man konnte sich für das Flachdach nicht erwärmen, die Fenster haben noch
Bänke und Rahmungen, die allerdings häufig kaum mehr mit Profilen bereichert
werden, und die Proportionen haben in den meisten Fällen den Zusammenhang
mit der Tradition nicht sanz aufseaeben.
Abbildung Markgrafenstraße 62 zeigt ein typisches Beispiel (Abb. 21). Die
Annäherung an die Würfelform, das relativ steile Walmdach mit kurzem First, der
Verzicht auf durchgehende Gesimse - das beobachten wir immer wieder. Die
senkrechten Regenrinnen, die an den Gebäudekanten stören würden, werden be-
wusst als Gliederungselement eingesetzt. Ganz schmucklos bleibt der Baukörper
nicht. Schmale, gesimsartige Mauerbänder umfassen die Fenster und ein Stück
benachbarte Wand, greifen um die Gebäudekante herum. So werden manchmal
zwei benachbarte Eckfenster quasi zu einem Übereck-Fensterband zusammengeschlossen
. Das ist ein mehrfach wiederkehrendes Motiv, das auch Häuser im
Bereich Burgackerweg - Hornrain zeigen. Gelegentlich wird auch Backstein zur
Bereicherung des Baues herangezogen. Die großen Treppenhausfenster des abgebildeten
Hauses in der Markgrafenstraße sind funktional dimensioniert und platziert
. Nach heutigen Maßstäben sind die Innenräume meist relativ klein.
Die im Bild zu sehenden rein dekorativen schmalen Mauerstreifen sind ein Lieblingsmotiv
jener Jahre. Man entdeckt sie z. B. auch am Hotel Ecken, wo sie offensichtlich
nur dazu dienen, der schlichten Fassade eine gewisse Eleganz zu verleihen.
Eine Gruppe von Gebäuden, bei denen sich ein Bemühen besonderer Art um
Modernität und Eleganz beobachten lässt. muss hier noch erwähnt werden. Es sind
dies Bauten, die in ihrer Gesamterscheinung und Grunddisposition noch von der
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