http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2003-01/0153
Was uns von Herzen kommen soll
muss alemannisch sein;
dann tönt der Heimat Seele voll
und ihre Stimme rein!
Wem diese Sprache nicht vertraut
der höre doppelt hin:
Der Weihnachtsweise alter Laut
klingt wunderbar darin.
Auf vier Jahre Marzell folgten 1955 neun Jahre in Niedereggenen. Diese nahezu
anderthalb Jahrzehnte Unterrichtens unter ländlich-vormodernen Schulverhältnissen
hatten Marquardt derart geprägt, dass er sich nach seiner Versetzung an die
Lörracher Neumattschule im Jahre 1964 der reformierten Schulpraxis gegenüber
mehr und mehr als Vertreter einer „inneren pädagogischen Emigration" empfand.
Der Partisan, so Marquardt in ..Fazit des letzten Dorschulmeisters", „kehrt aus
seiner Berghöhle auf den Markt zurück, wo das Gut. dem er treu geblieben ist. von
jenen wieder feilgeboten wird, die es einst verraten und ihn in die Vereinsamung
getrieben haben".
Die 23 engzeilig getippten Seiten mit dem Untertitel ..Gedanken zur Ordnungskrise
in der Erziehung", die im unverkennbaren Stil eines neuen „Zarathustra"
gehalten waren, bezogen nicht nur Gegenposition zu ..zwei Jahrzehnten moderner
Reformpädagogik", wie sie „von Politik und Wissenschaft der Schule verordnet"
worden waren, sondern stellten sie nachgerade vor Gericht. An anderer Stelle hat
Marquardt seine Kritik an der Pädagogik in Parallele zu Arnold Zweigs Roman
..Erziehung vor Verdun" entwickelt: so wie sich dort eine „verhängnisvoll-groteske
Kluft zwischen Generalstab und Frontlinie" aufgetan habe, so auch „zwischen
der verwissenschaftlichten Pädagogik samt ihrem politisierten Hofstaat einerseits
und der Schulwirklichkeit, dem Lehrer und Schüler als Menschen andrerseits".
Auch hier, so Marquardt weiter, dieselbe „völlige Fehldeutung des tatsächlichen
Geschehens, der Meldungen dessen, was eigentlich .vorne4 sich abspielt. Missachtung
und Fehleinschätzungen als Grundlage künftiger Entscheidung [...] wenn
heute, egal wie und wo. Unterricht, der diesen Namen noch verdient, überhaupt
stattfindet, so nicht getragen von Wissenschaft. Schulpolitik und Schulverwaltung,
sondern von der letzten seelischen Substanz derer, die sich täglich im Klassenzimmer
. Auge in Auge, gegenüberfinden".
Dieses Verdikt zeitgenössischer Pädagogik sei hier nicht bewertet, sondern lediglich
festgehalten als eine Form grundsätzlichen Widerspruchs zur Zeit, wie er
dem Künstler noch zu allen Zeiten zu seiner inneren Berechtigung verhalf. Wie
Marquardts pädagogische Auffassung, lebt auch seine gesamte Dichtung aus solch
fundamentaler Distanz zu Gegenwart und Zeitgeist: seine mundartliche und hochdeutsche
Lyrik ebenso wie seine diversen essayistischen Arbeiten und der nachge-
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