http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2003-02/0064
die mittelalterliche Stadtplanung wieder entdeckt worden ist und gar der „Mythos
der gewachsenen Stadt" für beendet erklärt wurde39, sind einige klärende Worte
angebracht. Die Stadt Neuenburg hat definitiv keinen erkennbaren kreuzförmigen
Straßengrundriß. Hauptachse des mittelalterlichen Stadtplans war die Nord-Süd
verlaufende Marktstraße, von der in regelmäßigen Abständen rechtwinklig Nebenstraßen
abzweigten. Dies und das daran angelehnte Stadtbachsystem verraten
freilich eine planende Hand. Planerische Elemente lassen sich auch bei der Parzellierung
des 13. Jahrhunderts an der Schlüsselgasse erkennen. Ein großer Baublock
wurde dort durch eine Parzellenmauer geteilt. Daß um das abgegangene Münster
ursprünglich ein Platz ausgespart geblieben wäre, wie es Hamm postulierte, entzieht
sich jedoch jedem Nachweis.
Was bleibt, ist eine Gründungsstadt mit den üblichen planerischen Elementen,
wie wir sie im ganzen Südwesten des Reichs, unabhängig von den an der Gründung
beteiligten Geschlechtern, erkennen können. Das Fundgut verrät uns ebenso
ein wohlhabendes städtisches Milieu, wie wir es vergleichbar in Freiburg oder
Breisach finden. Von überregionaler Bedeutung ist der Nachweis eines in der Stadt
arbeitenden Hafners, der seine Produkte über die Märkte des Oberrheingebietes
absetzte. Er zeigt zum einen den hohen technologischen Stand der in der Stadt arbeitenden
Handwerker, aber auch exemplarisch die enge wirtschaftliche Verflechtung
des Wirtschaftsraums im südlichen Oberrhein an.
Die Ergebnisse, die ich in meinem Arbeitsbericht vorgestellt habe, zeigen aber
auch dringlich, daß es höchst notwendig ist, sich Klarheit über die historische
Struktur von Kleinstädten zu verschaffen. Archäologische Denkmalpflege ist dort
ansonsten dem Zufall überlassen, insbesondere, wenn eine Stadt durch den erhaltenen
Baubestand kaum historische Anknüpfungspunkte bietet. Wir möchten daher
die Erforschung der historischen Substanz in Neuenburg gemeinsam mit der Stadt
durch die Erarbeitung eines archäologischen Stadtkatasters vertiefen.
Anmerkungen
1 Dem geschätzten Kollegen Bernhard Vedral (8.5.1948 - 12.4.1998) zum Andenken gewidmet.
2 Fidel HUGGLE, Geschichte der Stadt Neuenburg am Rhein, Freiburg 1876; Konstantin SCHÄFER,
Aus der freien Reichstadt Neuenburg, in: Alemannisches Jahrbuch 1959, S. 116-146; DERS., Geschichte
einer preisgegebenen Stadt, Freiburg 1963; DERS., Neuenburg, in: Die Zähringerstädte.
Veröffentlichung zum „Zähringer-Jübiläum", hg. von der Stadt Villingen-Schwenningen, Villingen-
Schwenningen 1978, S. 81-88; Winfried STUDER, Die Stadt Neuenburg am Rhein in alten Bildern
und Kartendarstellungen, in: Badische Heimat 58 (1978), S. 247-251; Jürgen TREFFEISEN, Die
Breisgaustädte Neuenburg, Kenzingen und Endingen in ihren Beziehungen zu Klöstern, Orden und
kirchlichen Institutionen währenddes Mittelalters (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte
36), Freiburg-München 1991.
3 SCHÄFER, Geschichte einer preisgegebenen Stadt (wie Anm. 2), Kartenbeilage.
4 Das Erscheinen des vom Verfasser bearbeiteten Bandes ist für das Jahr 2003 vorgesehen. Allgemeine
Informationen zum Projekt Archäologischer Stadtkataster finden sich bei Andrea BRÄUNING,
Bausteine Archäologischer Stadtkataster (Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg
42), Stuttgart 2000.
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