http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2003-02/0124
sehen seinen Besitzungen und denen des Freiburger Grafen war sicherlich auch im
Sinne des Straßburger Bischofs47. Es ist naheliegend, daß der durch die Stadtrechtsaufzeichnung
von 1283 vermittelte Festungscharakter der Stadt eine Ursache in den
Auseinandersetzungen des Freiburger Grafen mit der bischöflich-straßburgischen
Partei hatte. Indes werden aber zunächst andere Motive den Ausschlag zur Stadtgründung
gegeben haben.
An erster Stelle stehen wohl die wirtschaftlichen Aspekte. Nach Treffeisen zeigt
ein Blick auf die geographische Lage Kenzingens, daß sich der Ort gut als wirtschaftlicher
Mittelpunkt der üsenbergischen Besitzungen im nördlichen Breisgau
eignete. So gruppierten sich halbkreisförmig um die Stadt die üsenbergischen Orte
Herbolzheim, Münchweier, Nordweil und Ober- und Niederhausen48. Das forum
Kenzingen, wie es in der Stadtrechtsaufzeichnung von 1283 genannt wird49, sollte
den Bewohnern der umliegenden Orte die Möglichkeit bieten, ihre Produkte auf
dem städtischen Wochenmarkt zu verkaufen. Zur Zeit der Stadtwerdung Kenzingens
bildete der Marktort Endingen bereits den Mittelpunkt der Ländereien am
Kaiserstuhl50.
Wichtig ist die Feststellung, daß die Stadt nicht auf dem Gebiet des bereits bestehenden
Dorfes Kenzingen errichtet wurde. Die Stadtrechtsaufzeichnung von
1283 hält ausdrücklich fest, daß die Stadterrichtung Rudolfs auf eigenem Grund
und Boden erfolgte. Hier wurde also Rücksicht genommen auf die klösterlichen
Grundherren, Einsiedeln und vor allem Andlau51. Dies war ein Vorgang, der sich
bei den späteren üsenbergischen Stadtgründungen, Endingen und Sulzburg, nicht
wiederholte. Nach Treffeisen waren die Gotteshäuser Andlau und Einsiedeln zur
Mitte des 13. Jahrhunderts noch zu mächtig gewesen, um eine Stadterhebung der
dörflichen Siedlung Kenzingen widerstandslos hinzunehmen. Auch die Stadt-
werdungen Sulzburgs und Endingens seien von den betroffenen Klöstern nicht
widerspruchslos hingenommen worden. In Sulzburg hätte die klösterliche Oberhoheit
über den städtischen Grund und Boden anerkannt werden müssen, und in
Endingen sei zunächst nur ein Teil der Siedlung zur Stadt erhoben worden. Die
Anlegung einer neuen Stadt sei zwar kostenintensiver gewesen, hätte aber auch im
folgenden erheblich weniger Konflikte verursacht52. Dieser Kostenaspekt ist für die
Bewertung von Rudolfs herrschaftlicher Politik sicherlich nicht uninteressant.
Nach Treffeisen hatte jeder Adelige, der ein gewisses Ansehen beanspruchte,
auch als Stadtherr in Erscheinung zu treten, und die Gründung der Stadt Kenzingen
habe sicherlich für Rudolf II. von Üsenberg einen enormen Prestigegewinn
bedeutet53. Indem er seine herrschaftliche Situation durch den Status eines Stadtherrn
erweiterte, folgte Rudolf aber nicht nur dem Beispiel vieler seiner adeligen
Zeitgenossen. Sein Vorhaben ging noch weiter: Vor den Toren der Stadt sollte das
Kloster Wonnental zum religiösen Zentrum der Herrschaft avancieren und die
Rolle des bislang fehlenden Hausklosters übernehmen. Er setzte sich vehement für
das um 1245 zunächst als Dominikanerinnenkloster vor den Toren Kenzingens begründete
Kloster ein. Er war die treibende Kraft, daß Wonnental schließlich in den
Zisterzienserorden inkorporiert wurde, und dabei wurde er von Bischof Heinrich
122
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2003-02/0124