http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2003-02/0146
Betrieben wurde der Wechsel zur neuen Herrschaft aber nicht nur von Bürgern
ausgebildeter Städte. Bewohner des alten Kirchorts Bülach und umliegender Weiler
etwa waren unmittelbar an ihrem Übergang aus der Gewalt des Markgrafen
Otto von Hachberg in diejenige des Habsburgers Herzog Leopold von Österreich
beteiligt. Der Ankauf des im Hinterland Zürichs gelegenen Bülachs um 2000 Gulden
im September 1384 wurde nämlich zur Hälfte durch Ortsansässige finanziert18.
Ihre finanzielle Beteiligung zielte offensichtlich auf den Erwerb des Stadtrechts,
das den Bülachern wenige Wochen nach der Übernahme der Herrschaft durch
Herzog Leopold III. ausgestellt wurde19. Den Zusammenhang von Subventionierung
des landesherrlichen Geschäfts und Stadtrechtsverleihung stellt explizit
eine zu Beginn des 15. Jahrhunderts fixierte Kundschaft über die Rechte der Herrschaft
in Bülach her, die betont, daß mit dem Kauf Freiheiten und Gnaden anderer
Städte eingehandelt worden seien20. Eben diese Quelle läßt aber ebenso vermuten,
daß auch in diesem Fall Auseinandersetzungen mit der bestehenden Herrschaft die
Anstrengungen im Hinblick auf einen Wechsel der Herrschaft motivierten. Denn
darin zitierte Gewährspersonen deuten an, daß das Verhältnis der Bülacher zum
vormaligen Stadtherrn, dem Markgrafen von Hachberg, konfliktreich war, und sie
Schutz beim mächtigsten Landesherren der Region suchten.
Bürger bewältigten Konfliktsituationen vor Ort, indem sie die Etablierung einer
neuen Herrschaft förderten, von der sie sich größere Freiheiten, aber auch größere
Sicherheit versprachen. Sie konnten aber offensichtlich auch einen Herrschaftswechsel
behindern. Wie Jürgen Treffeisen gezeigt hat, widersetzten sich die Bürger
der kleinen oberrheinischen Stadt Kenzingen nach dem Tode Friedrichs von
Üsenberg 1357 einem Wechsel aus der Herrschaft der Markgrafen von Hachberg
in diejenige der Herzöge von Österreich. Grund dafür waren offenbar Befürchtungen
um Nachteile für das Absatzgebiet des städtischen Marktes. Die Bürger
gaben ihren Widerstand erst auf, nachdem sie politisch massiv unter Druck gesetzt
und von dem für Habsburg taktierenden Karl IV. mit der Reichsacht belegt worden
waren. Zur Annahme der habsburgischen Herrschaft durch die Kenzinger wird
ebenso beigetragen haben, daß in der Zwischenzeit das benachbarte Freiburg im
Breisgau habsburgisch geworden war21.
Andere Formen aktiven Handelns der kleinstädtischen Bürgerschaft im Hinblick
auf den Bestand der habsburgischen Herrschaft lassen sich in den unfriedlichen
Zeiten um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert und besonders für die Gebiete
zwischen Bodensee, Rhein und Alpenkamm feststellen. In die Kriege der achtziger
Jahre des 14. Jahrhunderts waren die Bürger nicht nur als wehrpflichtige Landsäs-
sige ihrer Herrschaft involviert, sondern nahmen auch eigenständig für ihre Herrschaft
Partei. So sorgten offenbar österreichisch gesinnte Bürger des Städtchens
Weesen am Walensee 1388 für eine Wiedereroberung ihrer zwei Jahre zuvor durch
Eidgenossen eingenommenen Stadt durch österreichische Truppen, die als ,Mordnacht
' von Weesen in die eidgenössische Geschichtsschreibung eingegangen ist22.
Ein größeres Engagement der Bürger von Burgstädtchen und anderen städtischen
Kleinformen läßt sich im Hinblick auf die herrschaftliche Verpfändungs-
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