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Weiterer Indikator einer zunehmenden Handlungsfähigkeit der Bürgerschaft
kleiner Städte ist ihre Bündnispolitik. Im Unterschied zu den Bürgern älterer, ausgebildeter
Städte wie etwa Luzern und Freiburg im Üchtland oder Habsburg verpfändeter
Reichsstädte wie Breisach, Neuenburg oder Schaffhausen, die auch unter
habsburgischer Herrschaft - zunächst vorbehaltlich der habsburgischen Rechte
- eigenständig Bündnisse mit anderen Herrschaftsträgern abschlössen27, hat die
Mehrheit der kleinen habsburgischen Städte erst im ausgehenden 14. Jahrhundert
begonnen, unabhängig von ihrer Herrschaft Politik zu betreiben28. Zwischen der
politischen Aktivität kleiner Städte und der Beeinträchtigung habsburgischer Herrschaftsausübung
westlich des Arlbergs durch den Landesausbau neuer aufstrebender
Mächte und durch verlorene Kriege ist ein enger Zusammenhang zu sehen.
Denn insbesondere vor dem Hintergrund des Sempacherkrieges 1386 und der Ap-
penzellerkriege 1407 wurden Einungen mit anderen habsburgischen Landsässigen
sowie Burg- und Landrechte mit neu aufstrebenden Herrschaftsträgern zu einem
wichtigen Instrument kleinstädtischen Krisenmanagements29. Gründe für die
kleinstädtische Bündnisaktivität lagen offenbar in gewaltsamen Übergriffen von
Eidgenossen oder Adligen, Behinderungen von Handel und Rechten, einer fehlenden
Kontrolle der Pfandnehmer vor Ort und in der mangelnden Wahrnehmung der
Friedenssorge durch die Herrschaft, wie Klageschreiben an Herzog Friedrich aus
dem Jahre 1411 vermuten lassen30.
Unter dem Druck zunehmend schwieriger Verhältnisse vereinbarten habsbur-
gische Landstädte - sowohl im Breisgau31 wie im Aar- und Thurgau - solidarisches
Handeln. Sehr kleine Städte wie das Burgstädtchen Regensberg und die
junge Stadt Bülach verbündeten sich zu gegenseitiger Hilfe, bevor sie sich mit
Burgrechten in den Schutz machtvollerer Gewalten wie der Stadt Zürich begaben.
Der 1393 geschlossene Bund der beiden Städtchen wurde mit dem in dieser Zeit
offenbar angezeigten Vorbehalt geschlossen, aldieweil, das die vorgenanten beid
stett in unser gnedigen herschaft von Osterrych handen sincP2. Ein Bündnis größerer
und finanziell potenterer Städte der Habsburger, nämlich Winterthur, Diessen-
hofen, Frauenfeld, Zofingen, Bremgarten, Sursee, Mellingen, Lenzburg, Waldshut,
Radolfzell und Säckingen organisierte 1391 die Garantie für eine Schuld der ebenfalls
habsburgischen Stadt Rapperswil33.
Einzelne Verträge lassen deutlich werden, daß sich um diese Zeit eine Vorstellung
der Partizipation von Landsässigen am Herrschaftsverhältnis und ihrer Mitverantwortung
für Geschicke der habsburgischen Lande formte34. Diese Entwicklung
spiegelt in besonderer Weise eine Art landständische Einung wider, die im
Jahre 1410 neben Rittern, herrschaftlichen Amtsträgern und anderen Landsässigen
auch eine Vielzahl von habsburgischen Städten, vor allem des Aargaus und Thur-
gaus, zum Schirm und Nutzen von Land und Leuten und zur Aufrechterhaltung
der habsburgischen Herrschaft schlössen35. Der eigentümliche Charakter dieses
Vertrages, der zwischen eigenständigem Handeln von Landsässigen und Bindung
an die Herrschaft oszilliert, wird nicht nur durch den Bündniszweck, sondern auch
in Klauseln zum herrschaftlichen Vetorecht sowie durch den Umstand deutlich,
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