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den während der Gründungswelle des 13. Jahrhunderts erst entstandenen Städten
hingegen hat bisher lediglich in Ansätzen stattgefunden72. Ein personengeschichtlicher
Zugang ist vielenorts aufgrund der Quellenlage kaum möglich. Schultheiß,
Räte und Bürgergemeinde treten in vielen habsburgischen Städten zwar bereits
im 13. Jahrhundert in Erscheinung73. Identifizierbar und in ihrer Beziehung zur
Herrschaft definierbar werden Namen und Personen jedoch vielfach erst mit einem
Anwachsen der kleinstädtischen Überlieferung im 14. Jahrhundert74.
Analog zum Befund in den ältesten Städten hat man zwar auch für einzelne der
späten Stadtgründungen dem örtlichen Adel eine wesentliche Rolle bei der Formung
des Gemeinwesens beigemessen75. Doch lassen sich diese Beobachtungen
zur kleinstädtischen Führungsschicht im Hinblick auf die habsburgischen Städte
nicht verallgemeinern. Denn die Bedeutung und Funktion von Adel in den einzelnen
habsburgischen Städten ist durchaus unterschiedlich gewesen. Während
verschiedene adelige Geschlechter aus dem Stadtumland die Entwicklung von
Frauenfeld prägten76, besaßen in Diessenhofen die Truchsessen, die auf der Stadtburg
residierten und über einen langen Zeitraum das Schultheißenamt in der Stadt
bestellten, eine dominierende Stellung77. Ganz andere Verhältnisse bestanden in
Sursee, wo der Adel in der städtischen Führungsschicht augenscheinlich eine untergeordnete
Rolle spielte78.
Hinzu kommt das Problem, daß in den durch begrenzte räumliche Verhältnisse
und eine geringe Bevölkerungszahl geprägten Kleinstädten vielfach die älteren
und die neueren Führungsgruppen nicht klar voneinander abzugrenzen sind. Inwieweit
dieser Prozeß durch eine Verbürgerlichung von adeligen Geschlechtern
oder die Entstehung eines neuen städtischen Adels bestimmt war, ist erst näher zu
untersuchen79.
Dennoch läßt sich zeigen, daß - wenngleich im Vergleich mit den älteren Städten
zeitverschoben, nämlich im 14. Jahrhundert - auch in den kleinen habsburgischen
Städten eine neue politische Führungsschicht entstand und eine ursprünglich
adelige Elite, die zur Klientel des Stadtherrn gehörte, durch aufsteigende bürgerliche
Familien ersetzt wurde. Insbesondere die Besetzung des Schultheißenamtes
in den landesherrlichen Städten ist Indikator derartiger Umwälzungen. Zwar kann
man nur wenige Aussagen über den konkreten herrschaftlichen Einfluß auf die
Besetzung des Schultheißenamtes machen, doch läßt sich zumindest in einzelnen
Fällen nachweisen, daß dieses bis ins 14. Jahrhundert durch einen Adeligen mit
engen Herrschaftsbindungen besetzt war. Dies gilt etwa für Frauenfeld, wo um die
Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert Ritter Jakob von Frauenfeld als habsbur-
gisch-österreichischer Stadtvogt, das Äquivalent zum Schultheißen in der Stadt
Frauenfeld, fungierte80. Seine Nähe zur Herrschaft war durch wichtige Positionen
in der landesherrlichen Verwaltung charakterisiert, nämlich diejenige eines Hofmeisters
und Vogtes auf der Kyburg81. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
treten jedoch neben dem ministerialischen Adel aus dem Umfeld des habsburgischen
Stadtherrn sowie des Abtes der Reichenau als städtischem Grundherrn im
14. Jahrhundert immer mehr Geschlechter nicht-adeliger Herkunft in Erschei-
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