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nung82, die zunehmend in der Lage waren, das Stadtvogt- bzw. Schultheißenamt zu
verwalten. Dies läßt sich nicht nur am Beispiel von Frauenfeld, sondern auch etwa
für Aarau zeigen, wo zunächst adelige Familien, so die von Wiggen (bei Willisau),
die explizit als Ritter bezeichneten von Rore (in und bei Aarau) oder von Seon
(bei Lenzburg) den Schultheißen stellten, nach der Mitte des 14. Jahrhunderts aber
Bürger mit Namen wie Stieber, Trüllerey, Vogt oder Sumer83. Geklärt werden muss
allerdings noch, in welcher Beziehung diese Aarauer zu den Adeligen standen, die
bisher das Sagen in der Stadt hatten.
Die Ablösung einer vornehmlich adeligen Führungsschicht durch eine neue
Gruppierung aus Bürgern nicht-adeliger Herkunft und die gleichzeitig wachsenden
Kompetenzen der Bürgergemeinde und ihrer Repräsentativorgane scheinen auf
eine schwindende Herrschaftsbindung der kleinstädtischen Elite hinzudeuten. Diesem
Befund ist aber entgegenzuhalten, daß sich im 14. Jahrhundert auf verschiedenen
Ebenen eine zunehmende Einbindung der neuen städtischen Führungsschicht
in besondere personale Beziehungen zur Landesherrschaft abzeichnet. Bürger
kleiner Städte verfügten nun offenbar über besondere Chancen, in herrschaftlichen
Dienst aufzusteigen. Zur Aufsteigergruppe zählten etwa der Schultheiß von
Waldshut, Johann, der in den ausgehenden vierziger und beginnenden fünfziger
Jahren des 14. Jahrhunderts als Vogt zu Baden, als österreichischer Landvogt und
Hauptmann amtete, oder der Schultheiß von Säckingen, Walter Vasolt, der 1322
die Vogtei Baden bestellte84.
Auch kann man beobachten, daß sich die Pfand- und Lehnspolitik der österreichischen
Herzöge im Verlaufe des 14. Jahrhunderts immer mehr an den neu
aufgestiegenen ratsfähigen Geschlechtern und im besonderen Maße an den
Schultheißen orientierte. Die Verpfändungen an Schultheißen, die vielfach vor
allem Pfandgut in der Stadt erhielten, lassen sich teilweise aus ihrer Funktion als
Repräsentanten von Herrschaft in den kleinen Städten erklären: Sie waren an der
Pfandverwaltung beteiligt85, und ihre Dienste für die Herrschaft konnten durch
Pfänder ausgeglichen werden86. Wesentlicher aber noch scheint es, daß die Pfandvergabe
an Mitglieder der Führungsschicht dazu benutzt werden konnte, eine neue
wirtschaftlich versierte und erfolgreiche Klientel in die moderne landesherrliche
Finanzpolitik einzubeziehen87. Die neuen Geldgeber konnten auf finanziellen
Ertrag sowie einen Zuwachs an Macht und Einfluß hoffen. Angeführt werden
soll hier lediglich das Beispiel des Schultheißen von Lenzburg, bei dem der österreichische
Landesherr seine horrenden Schulden über bedeutende Pfänder, wie
1374 die Hälfte der Burg Freudenfels am Bodensee, das Burgsäß zu Lenzburg und
das Lenzburger Schultheißenamt kompensierte88. Seine Familie verfügte überdies
durch den Bischof Johannes von Gurk und Brixen, der zeitweilig das Amt eines
Kanzlers und Landvogts der Herrschaft bekleidete, über enge Beziehungen zur
Herrschaft89.
Die zunehmende Belehnung von Bürgern kleiner Städte durch die Herrschaft
hingegen bedeutete die Ausdehnung einer ursprünglich am Adel orientierten traditionellen
Form der Herrschaftsbindung90. Waren es im 13. Jahrhundert in den
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