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jungen Städten allenfalls adelige Schultheißen, die herrschaftliche Lehen erhielten,
so wurde im 14. Jahrhundert neben bürgerlichen Schultheißen ein beträchtlicher
Anteil von Bürgern in die herrschaftliche Lehnspolitik einbezogen. Wie das Verzeichnis
zum Zofinger Lehnstag von 1361 eindrucksvoll zeigt, wurden Lehen an
die Schultheißen von Schaffhausen, von Winterthur, von Brugg, von Aarau, von
Zofingen und Bremgarten vergeben91. Ebenso aber wurden die ratsfähigen Familien
in den Städten bedacht. Als bürgerliche Lehnsnehmer in Winterthur etwa sind
sieben ratsfähige Bürgergeschlechter genannt92. Die mit ihrer Einbindung in die
Lehnspolitik verbundene Standesannäherung der neuen führenden Bürgerschicht
an den Adel zeichnet sich auch im Umfang der Lehen ab: So verzeichnet das Register
für den Winterthurer Schultheißen Gefetterlin fast ebenso viele und bedeutende
Lehen wie für den Herren von Hettlingen, der einem Geschlecht habsburgi-
scher Ministerialen entstammt93.
Herrschaftsgebundene Eigenständigkeit
Die vorangegangenen Ausführungen haben versucht, die übliche Optik der Betrachtung
kleiner landesherrlicher Städte als Objekte von Herrschaft zu verlassen
und umgekehrt nach der Handlungsfähigkeit der Bürger im Herrschaftsverhältnis
zu fragen, wie sie sich in der herrschaftlichen, aber auch in der örtlichen Überlieferung
darstellt. Am Beispiel von Städten unter habsburgischer Herrschaft
wurde dabei deutlich, daß nicht nur die Bürgerschaft ausgebildeter Städte, sondern
auch diejenige städtischer Klein- und Kleinstformen im 13., vor allem aber
im 14. Jahrhundert in verschiedener Hinsicht aktives Gegenüber der Herrschaft
war und durchaus ihren Spielraum im Herrschaftsverhältnis nutzte. Die Bürger
entwickelten sowohl Einfluß auf die Etablierung und den Erhalt wie auch auf die
Ausübung von Herrschaft und insbesondere auf die Quantität und den Inhalt herrschaftlicher
Privilegien. Ihre Politik wurde - vor allem in Krisenzeiten - offenbar
immer eigenständiger, was insbesondere Bündnisse untereinander und mit neuen
potenten Schutzherren belegen.
Die zunehmende Aktivität der Bürger landesherrlicher Städte steht ganz offensichtlich
in engem Kontext mit der Konsolidierung der Ratsverfassung, der Ausbildung
einer neuen Führungsschicht sowie mit einer Kommunalisierung von Herrschaftsbefugnissen
in der Stadt. Ob die Initiative der Bürger jedoch als Ausdruck
einer Emanzipation von der Herrschaft verstanden werden kann, erscheint fraglich
. Denn herrschaftliche Ansprüche und städtische Abhängigkeiten definierten
ganz offensichtlich immer und unbestritten die Handlungsspielräume der Bürger.
Das Verhältnis zur Landesherrschaft allerdings veränderte sich im 14. Jahrhundert.
Gleichzeitig mit der wachsenden Selbstbestimmung und politischen Eigenständigkeit
der Bürger habsburgischer Städte nämlich wurde ihre Führungsschicht durch
die Herrschaft sowohl in neuartige, wie auch in überkommene, ursprünglich dem
Adel vorbehaltene Formen der Herrschaftsbindung integriert. Diese Umformung
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