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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
65.2003, Heft 2.2003
Seite: 178
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zumindest aber ein Viertel der Bevölkerung des bernischen Aargaus aus. In einer
ausgesprochenen ,Stadtlandschaft', um den von Franz Irsigler vorgeschlagenen
Terminus in Unterscheidung von den weniger dicht besiedelten Städtelandschaften
zu gebrauchen48, kam es, wie Ammann kartographieren konnte, zu Überschneidungen
der Hinterlande der einzelnen Städte, wenn auch manche Städte
verkehrsgünstig in regelmäßigen Abständen entlang der Aare und Reuß lagen.
Infolgedessen waren die Städte laut Ammann als Wirtschaftsmittelpunkte des
Landes viel zu zahlreich und zu stark bevölkert. Dieses Ungleichgewicht hätte
sich entweder durch ein ausgeprägtes Ausfuhrgewerbe oder durch die Funktion
eines Umschlagplatzes, allenfalls noch durch Landwirtschaft kompensieren lassen.
Aber im Aargau war allein der Agrarsektor von Bedeutung. Ammann spricht also
von einer ,Überstädterung'49.

Für den Oberrhein ist diese Feststellung höchst aufschlußreich. Denn die im Elsaß
anzutreffende ,Überstädterung' wurde in der Tat durch den Ausfuhrhandel mit
Wein kompensiert, der die Illstädte als Umschlagplätze gedeihen ließ, im Gegensatz
zu den ansonsten vergleichbaren Kleinstädten an Reuß und Aare, die ein Exportgewerbe
nicht aufweisen konnten. Ammann setzte jedoch stillschweigend voraus
, daß der Schlüssel zu einer florierenden regionalen Wirtschaft in einer sektoralen
Ausdifferenzierung lag, die für den Oberrhein geradezu kennzeichnend ist. Das
ist eine durchaus verständliche Betrachtungsweise - für einen Mediävisten. Nur
verdankten die fortschrittlichen frühmodernen Wirtschaftslandschaften ihre Blüte
eben nicht der Ausdifferenzierung, sondern vielmehr der regionalen Spezialisierung
und Konzentrierung, die in manchen Fällen sogar zu Proto-Industrialisierung
führen konnten. Diese Entwicklung setzte sowohl eine ausreichende Produktionsbasis
als auch gute Distributionsmechanismen voraus. Gerade die Warenverteilung,
wie aus dem ostschwäbischen Textilrevier zu ersehen ist, hing im wesentlichen
von einer funktionalen Integration von Handelsmetropolen, Zuliefererstädten und
lokalen Produktionszentren ab. Das erforderte wiederum einen klaren Steuerungswillen
seitens der Herrschaften, die lokale Autonomien und Sonderrechte zugunsten
eines regional integrierten Marktsystems zu kassieren bereit waren. Am Oberrhein
kam es weder zu einer Spezialisierung der Produktion noch zu einer institutionellen
Arrondierung der Distribution, die die Verhandlungs-, Erhebungs- und Durchsetzungskosten
gesenkt hätte. Man denke allein an die Rheinzölle50!

Die starke Zunahme an regionalen Messen im späten Mittelalter, die für einen
befristeten Zeitraum vollkommene Handelsfreiheit und Zollbefreiung gewährten,
hat nach der jüngsten Forschung entschieden zum wirtschaftlichen Wachstum in
einem Zeitalter der vermeintlichen Krise beigetragen51. Doch die damit verbundene
Schwächung von institutionellen Hindernissen und Senkung von Transaktionskosten
blieben am Oberrhein weitgehend ohne Resonanz, da sich zwar Straßburg um 1570
in Ansätzen zu einer internationalen Messestadt entwickelte, Basel dagegen kaum
mehr als regionale Bedeutung erlangte. Die einzige internationale Handelsmesse
in unserem Raum Anfang des 16. Jahrhunderts fand in der sonst unbedeutenden
Schweizer Kleinstadt Zurzach statt52. Die Mittel- und Kleinstädte gerieten daher

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