http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2004-02/0012
Die Entstehung des Sanatoriums vor 105 Jahren ist nicht ursächlich auf jenen
prominenten Davoser zurückzuführen. Er hatte damals die Funktion eines Sachverständigen
. Mehrere Faktoren, die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts
zusammentrafen, bewirkten gemeinsam, dass die einstige Volksseuche
Tuberkulose - früher auch Schwindsucht genannt - eingedämmt und nach nochmaligem
Ansteigen während der beiden Weltkriege (man spricht von ..Hungerzacken
") fast ganz zum Verschwinden gebracht werden konnte. Zum einen waren es
wissenschaftliche Erkenntnisse: Robert Koch entdeckte den Tuberkulosebazillus.
Wilhelm Conrad Röntgen die Röntgenstrahlen. Zum andern half die soziale Gesetzgebung
entscheidend weiter.
Der erste therapeutische Fortschritt ist Hermann Brehmers Freiluftliegekuren zu
verdanken. Er gründete das erste Tuberkulosesanatorium in Schlesien. Die Einführung
der Sozialversicherung, genauer des Deutschen Invalidengesetzes von 1889. beförderte
zudem das so genannte Heilstättenwesen. Rehabilitation, verbunden mit wirtschaftlicher
Sicherheit bei Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit, wurde eine Errungenschaft für
breite Bevölkerungsschichten, zunächst allerdings nur für den erwerbstätigen Teil.
Dass in Baden die Entwicklung sehr früh aufgegriffen wurde, geschah nicht von
ungefähr. Hier war schließlich die Krankheit der Lungenschwindsucht überdurchschnittlich
verbreitet. Besonders befallen war der Rheingraben, an der Spitze lagen
die Städte Mannheim. Heidelberg und Lörrach. Ein Grund dafür war, dass das
Großherzogtum Baden am strukturellen Wandel des Deutschen Reiches vom Ag-
rar- zum Industriestaat besonders heftig teilnahm. Die in den Städten entstehenden
Fabriken lockten Arbeitskräfte aus dem ländlichen Raum. Ihre Arbeitsplätze und
ihre Wohnstätten waren primitiv. Diese Verhältnisse begünstigten das Ausbreiten
der Tuberkulose, denn die zusammengepferchten Arbeiter steckten sich und ihre
Familien gegenseitig an.
Der Geheime Oberregierungsrat Rasina. Direktor der Versicherungsanstalt Baden
, betrieb den Bau der Heilstätten. Für Friedrichsheim fiel der Beschluss am 23.
Februar 1897. Der Andrang der Heilungssuchenden war so groß, dass dem vollendeten
Neubau bald weitere Bauten folgten. Im Mai 1902 standen 170 Betten zu
Verfügung. Das Personal bestand aus einem ärztlichen Direktor, zwei Assistenzärzten
, einem Volontärarzt, einem Buchhalter, einer Oberin, drei Schwestern, zwei
Krankenpflegern und 24 im Hausdienst Beschäftigten.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren rund 1.5 Millionen investiert worden, davon
26 500 Mark in den Grunderwerb und 125 000 Mark in die Inneneinrichtung und
Ausstattung der Klinik. Außer zwei Krankengebäuden hat man auch Versorgungseinrichtungen
und erste Wohnungen geschaffen.
Im Herbst 1905 wurde in Luisenheim eine Klinik für Frauen eröffnet, zunächst
mit 136 Betten. Schon 1908 waren es 200 Betten. Auch Friedrichsheim wurde erweitert
, der Nordbau entstand, die Zahl der Betten kletterte auf 232. Zudem folgten
immer mehr Wohnungen, unter anderem auch eine Villa für den Chefarzt. Die
432 Patienten wurden von 80 Mitarbeitern versorgt: Ärzte. Beamte, Angestellte,
Arbeiter und Dienstmädchen eingeschlossen.
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