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zu denken war. Böbelin warnte und sagte, das Schiff sei wohl besser angebunden
denn übel gefahren. Der Schiffsführer wusste recht wohl, warum er die Abfahrt
verweigerte: „Wurden Menschen und Güter leichtfertig einer Gefahr ausgesetzt,
mussten die Steuerleute mit strengsten Strafen rechnen. Zeitlebens konnte ihnen
Stadt [Basel] und Rhein verschlossen bleiben."7' Und das wollte kein Schiffsmann
riskieren, nach so langer Ausbildungszeit: Zwei Jahre Lehrzeit als Rügeknecht,
weitere zwei Jahre als Steuermann. Erst danach wurde er als Meister in die Zunft
aufgenommen.8'
Meron war in Basel kaum noch zurückzuhalten, ob wegen seines feuchten
Getreides oder wegen der unsicheren Kriegslage sei dahingestellt. Gegen Mittag
drehte endlich der Wind, und um ein Uhr machte das Schiff in dem Nammen Gottes
die Leinen los. Das Schiff fuhr ohne Probleme den Rhein hinunter bis zum
Isteiner Felsen. Diesen zu umschiffen verursachte bereits Schwierigkeiten: Als
man die Schnur - das Senkblei - zum Messen der Tiefe vom Steuerbrett herabließ,
war sie gerade so lang wie der Schiffskiel! Das Schiff lief auf. und alle Insassen
befanden sich in großer leib undt läbens gefahr. Der Rhein führte offenbar so wenig
Wasser, dass die Fahrrinne voller Untiefen war. Böbelin meisterte die schwierige
Situation, stellte drei Steuerleute hinten an die Ruder, um das Schiff besser
um den Felsen und die Rheinschleifen führen zu können. Aber: Über dem Schiff
schwebte bereits das Verhängnis, wie Böbelin später erfuhr. In Basel war nämlich
das beladene Schiff von Jerg Bürgi, genannt Spinola, und seiner Frau bewacht
worden. Um Mitternacht sei erwaß under dass Schiff khommen, bey welchem sey
sich gefrecht [gefragt] und vermeint, dass Schiff w ollen ihnen an dem Landt un-
dergehen. Eine so unheilschwangere Geschichte befreite die Schiffsleute von der
Schuld, das Schiff nicht richtig gelenkt zu haben. Unter solchen Auspizien konnte
ein Unglück natürlich nicht verhütet werden ...
Das Schicksal schlug zu, als sich das Schiff zwischen Ottmarsheim und Neuenburg
befand. Wieder einmal hatte der Rhein sein Bett verändert, ein neuer Ihn-
bruch, ein neuer Seitenarm hatte sich gebildet, durch den schon mehrfach Schiffe
geführt worden waren, und nun das von Meron. Ein Berner Schiff brauchte nur
wenig Wassertiefe und hier war der Rhein mehr dann eines Manß dieff. Aber als
sie durch die neue Rinne fuhren, blieben sie offenbar an einem nicht sichtbaren
Stock hängen, der sich in das Schiff gebohrt hatte und dort stecken geblieben war.
Undt dass Schiff sampt dem Stockh eh man ein Vatterunser betten khennen under
jbersey gefallen undt darxon getrieben. Das Schiff überschlug sich also, und die
Insassen mussten sich durch Schwimmen retten oder sich an den hölzernen Rudern
über Wasser halten. Alle Güter waren natürlich verloren. Böbelin machte nun
dem Breisacher Handelsmann Vorwürfe, weil er die Schiffsleute so bedrängt hatte.
Künftig solle er es dem Schiffsmann frei stellen, so er guth wetter hat zu fueren.
Er. Meron. sei eigentlich schuld an dem Unglück. Dieser jammerte, er sei jetzt ein
armer und zu Grunde gerichteter Mann. Dann ließ er sich - ohne seine Fruchtsäcke
- von Neuenburger Schiffsleuten in einem anderen Weidling nach Breisach
führen.
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