http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2006-02/0076
Die Erziehungsziele
Natürlich ist über die Pädagogik der Kinderdörfer und über ihre Zielsetzung in
den 50 Jahren seit ihrem Entstehen diskutiert worden.
Jens Lehmann formuliert die Ziele in seinem Buch über Hermann Gmeiner folgendermaßen
:
Die pädagogische Praxis orientiert sich an der Familie mit ihrem hautnahen Zusammenleben
von Erwachsenen und Kindern. „Das heißt: verlässliche dauerhafte
Bezugspersonen, die Pflege von Gemeinschaft und vielfältige Möglichkeiten des
Zusammenlebens in einem Gemeinwesen gehören zu den fundamentalen Elementen
der pädagogischen Konzeption." 1
Zu den Erziehungszielen gehören - nach Jens Lehmann2' - sechs Zielbereiche:
Die Entwicklung eines realistischen Wertgefühls
Das Erlernen von Verantwortung und Solidarität
Das Verankertsein in einem religiösen Welt- und Menschenbild
(wobei man in Sulzburg meint: christlich-ökumenisches Weltbild, nicht getrennt
in katholisch und evangelisch)
Erziehung zur Selbstständigkeit
Erziehung zur Leistungsfähigkeit und Kreativität
Friedenserziehung (von Hermann Gmeiner nach dem 2. Weltkrieg betont)
Hermann Gmeiner und
Johann Heinrich Pestalozzi (1749 -1827)
Hermann Gmeiner war durch die Not der Nachkriegszeit in die pädagogische
Praxis geworfen worden: eine theoretische Begründung seiner Pädagogik konnten
er und seine Mitarbeiter erst allmählich erarbeiten.
Mit Pestalozzi fühlte sich Gmeiner verwandt, insbesondere mit seiner Waisenerziehung
in Stans. Pestalozzi hatte 1799 im Auftrag des Direktoriums der Helvetischen
Republik die Aufgabe übernommen, in einem Kloster in Stans (Halbkanton
Nidwaiden) ein Waisenhaus für die Kinder einzurichten, deren Eltern bei einem
blutig niedergeschlagenen Aufstand gegen die Franzosen umgekommen waren.
Die ersten Zöglinge trafen am 14.1.1799 ein, im Frühjahr waren es 80, aber
schon am 8. Juni 1799 hob der Regierungskommissar Heinrich Zschokke die Anstalt
wieder auf.
Pestalozzi schrieb seine pädagogischen Erfahrungen nieder in dem ..Brief aus
Stans" (1799, als er 50 Jahre alt war). Er hatte versucht, die Kinder zu Geschwistern
zu machen, er schilderte ihnen „das Glück einer stillen, friedlichen Haushaltung
" 3|, in der die Mutter die Kinder unterrichtet. Die Kinder waren krank, „vom
Elend erdrückt", zu Pestalozzi gekommen, und er betreute sie vom Morgen bis
zum Abend ohne einen Gehilfen.
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