http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2007-02/0080
Will man den Ausführunsen der Chronisten glauben, dann befanden sich die
Geißler, die sich selbst flagellierend in mehr oder weniger großen Horden durch
das Land zogen, noch in Straßburg, als das Sterben begann. Die Berichterstatter
wecken dabei bewusst oder unbewusst den Eindruck, dass der Tod erst mit den
Geißlern in die Stadt gekommen sei und bis zu ihrem Verschwinden gedauert habe.
Fritsche Closener erweist sich als genauer Beobachter der auffälligen Krankheitsmerkmale
". Beulen seien unter den Armen und oben an den Beinen aufgetaucht.
Viele seien bereits am ersten Tag der Erkrankung gestorben, andere erst vier Tage
später. Wenn in einem Haus jemand erkrankte, blieb es selten bei nur einem
Krankheitsfall. Täglich, so führt Fritsche Closener aus, seien 7, 8, 9 oder 10 Menschen
in jedem Kirchspiel zu Grabe getragen worden. Die Kranken brachte man
auch ins Spital. Dieses Vorgehen erscheint im Vergleich mit anderen Orten als Besonderheit
. Ein Hinweis auf den Versuch. Kranke hospitalisch zu versorgen, findet
sich etwa am Niederrhein oder in Westfalen nirgends. Wer im Hospital verstarb,
wurde - den Ausführungen des Chronisten zufolge - in der spitalgrube. dem Hospitalfriedhof
, bei der zum Hospitalkomplex gehörigen Kirche beigesetzt. Dieser
erwies sich angesichts des Massensterbens bald als zu klein. Die Zahl von insgesamt
16.000 Toten, die der Chronist nennt, dient bekanntermaßen aber nur als Stilmittel
, um das unvorstellbare Ausmaß des Sterbens deutlich zu machen. Dieses
setzte soziale Bindungen außer Kraft. Begräbnisse konnten nicht mehr in der gewohnten
Weise durchgeführt werden. Hatten etwa Handwerker zuvor einen der Ihren
zu Grabe getragen, wollte nun niemand mehr das Risiko auf sich nehmen. So
wurden Knechte für die gefährliche Aufgabe entlohnt, bis man sich den Worten
Closeners zufolge darüber schämte und dieses Vorgehen wieder verbot. Es ist der
Tod, der den Bericht des Chronisten wie ein roter Faden durchzieht. Wie das Leben
in der verseuchten Stadt sich jenseits dessen noch gestaltete und welche Maßnahmen
der Rat ergriff, um der Lage Herr zu werden, verrät er nicht.
Beim vergleichenden Blick auf andere Städte werden zu dieser Situation zahlreiche
Parallelen, aber auch Unterschiede deutlich. Einige Monate später wütete
der ,Schwarze Tod' in den westfälischen und niederrheinischen Städten. Die wenigen
zeitgenössischen Quellen gewähren nur fragmentarische Einblicke in die jeweiligen
lokalen Vorgänge und Reaktionen im Umfeld des Seuchenausbruchs.
Dennoch fügen sich die bruchstückhaften Informationen zu einem Gesamtbild zusammen
, das hier für die Metropole Köln exemplarisch aufgezeigt werden soll.
Der Schwarze Tod in Köln
Wohl noch vor dem Jahreswechsel, im Dezember 1349. erreichte der .Schwarze
Tod' von Süden vordringend Köln23. Was sich nach dem Einsetzen des Massensterbens
in Köln ereignete, bleibt weitgehend im Dunkeln. Die Annalen beschränken
sich darauf, in lakonischer Kürze eine stervede van den druissen (Sterben an den
Drüsen) zu verzeichnen, die mal dem Jahr 1349. mal 1350 zugeordnet wird24. Ver-
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