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Man kann sich des Verdachts nicht gänzlich erw ehren, dass hinter dem Viehtrieb
der Ottmarsheimer entweder der Landweibel oder der Landvogt selber stand. Dass
sich Hagenbach der Stadt bemächtigen wollte, geht zumindest aus den Ereignissen
zwei Jahre später hervor. Im Dezember 1473 kam nämlich Basel die Nachricht von
einem geplanten Kriegszug Hagenbachs gegen Neuenburg zu Ohren34. Um diese
Zeit ließ der Landvogt den Neuenburger Bürgermeister Ludwig Sigelmann während
einer Hochzeit im unterelsässischen Lohr bei Zabern wegen Landfriedensbruchs
verhaften: erst nachdem er eine Urfehde geschworen hatte, die Stadt nicht
mehr zu betreten, wurde er aus der Haft entlassen55. Ende Februar fuhr sodann der
Landweibel zu Ottmarsheim in einem demonstrativen Akt mit seinem Waidling
(Fischerkahn) in den Neuenburger Bann und fischte im Rhein, während die Neuenburger
ihm am rechten Ufer Verwünschungen zuriefen. Die Neuenburger rächten
sich umgehend in einer Nacht- und Nebelaktion, indem sie über den Rhein
setzten, den Landweibel Brondlin erschlugen und dessen ältesten Sohn als Geisel
nach Hause führten36. Welchen Ausgang die Affäre genommen hätte, wenn nicht
bald darauf mit der Hinrichtung Hagenbachs zu Breisach die burgundische Pfandherrschaft
zusammengebrochen wäre, kann nur Mutmaßung bleiben.
Beim Konflikt mit dem Landvogt stellte sich die Stadt gerne als Opfer dar; bei
der Wahrung ihrer eigenen Interessen zeigte sie sich freilich von ihrer kämpferischen
Seite. Der Streit um die Rheinauen ging ja mit der Entschlossenheit mehrerer
Neuenburger Gläubiger einher. Außenstände im Amt Landser einzufordern.
Der Landweibel Brondlin war selber um die Zahlung einer Gülte von einem Neuenburger
Bürger tätlich angegriffen worden. Das hat seinerzeit Hildburg Brauer-
Gramm zu dem Urteil bewogen: „Man muß über den Eifer der Neuenburger. mit
dem sie ihre Sache verfochten - sicher nicht nur den Besitz der Rheininseln und
die Einkünfte zu Landser! - staunen'"3 . So erstaunlich war der Eifer nicht, wie der
spätere Verlauf der Austreitigkeiten zeigen sollte.
Mögen für die Fischer der Rheinstrom und für die Metzger und Ackerbürger die
Auen eine lebenswichtige Ressource gebildet haben, so war für die Stadt im Allgemeinen
die Deckung ihres Holzbedarfs der Primat ihrer Wirtschaftspolitik. Die Instandhaltung
der Rheinbrücke - wohl eine zw ischen den Auen auf Pfeilern aufgestellte
Pontonkette - erforderte eine gesicherte Zufuhr von Baumstämmen: mit den
ungeheuren Mengen an Bauholz, die für den Wiederaufbau der Stadt nach den
häufigen Überschwemmungen benötigt wurden, konnte sich der Brückenbaubedarf
allerdings nicht annähernd messen. Zu diesem Zwecke musste Kaiser Maximilian
mit zusätzlichen Zollvergünstigungen der Stadt finanziell mehrfach unter die Arme
greifen, so 1496 und 1499. als er die Heraufsetzung der Zollsätze vom halben auf
den vollen Breisacher Tarif genehmigte^.
Nach der Jahrhundertwende sah sich Neuenburg in den linksrheinischen Dörfern
einer neuen Gefahr ausgesetzt. Im Jahre 1504 hatte der vorderösterreichische Vogt
zu Landser, Hans Christoph von Hattstatt. von Neuenburger Kaufmanns waren zu
Ottmarsheim und Banzenheim wohl eigenmächtig einen Zoll verlangt, obgleich
die Stadt auf ihrer Zollfreiheit bestand. Zwar gab nach heftigen Protesten das Ensis-
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