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Motive für eine Pilgerfahrt
Es gab vielerlei Gründe, sich auf den Weg zu machen, auch ganz weltliche, wie
wir schon gehört haben. An erster Stelle aber stand in der Regel eine religiöse
Motivation. Wichtig war vor allem der Gedanke der Buße und eines Neuanfangs.
Das kommt zum Beispiel ganz deutlich bei den Strafwallfahrten zum Ausdruck,
die sehr zahlreich im niederländischen Raum nachgewiesen sind. Anstelle einer
Bestrafung wurden Übeltäter auf Wallfahrt geschickt. Somit gab man ihnen eine
Chance auf Besserung, und sie waren für längere Zeit fern der Heimat, so dass
sich die Situation vor Ort beruhigen konnte.
Außerdem spielten Bitt- und Dankwallfahrten eine wichtige Rolle. Diese sogenannten
Devotions wallfahrten galten als reinste Form des Pilgerns. Wallfahrt war
aber oft auch eine Flucht vor drückenden Pflichten oder auch vor der Pest oder
Hungersnöten.
Eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela, an den nordwestlichsten Zipfel
von Spanien, war in jedem Fall ein gewaltiges Unternehmen, begleitet von zahlreichen
Gefahren und Strapazen. Von Basel aus sind es immerhin etwa 2000 km.
Wer heute zu Fuß nach Santiago pilgert, wählt zumeist für den Rückweg ein modernes
Verkehrsmittel, im Mittelalter jedoch musste man die gleiche Strecke wieder
zurücklaufen, das sollte man nicht vergessen. Was die Reisezeit angeht, so haben
wir vor allem schriftliche Zeugnisse von berittenen Pilgern. Der 19-jährige
Hans Kilchmann aus Basel war insgesamt 19 Wochen unterwegs, für seine Jerusalempilgerfahrt
als 16-jähriger brauchte er 29 Wochen und drei Tage2). Hans Kilchmann
und sein Vater Ludwig, er war zeitweilig Bürgermeister von Basel, gründeten
1502 eine Armen- und Pilgerherberge in der Rheingasse, der sie ihr gesamtes
Gut verschrieben haben3).
Die Pilgerwege nach Santiago de Compostela
Wie ein Spinnennetz überzogen die Pilgerwege die Landkarte des Mittelalters.
Es muss aber sehr deutlich gesagt werden, dass diese Wege auch allgemeine Verkehrswege
für jedermann waren, oft waren es Straßenverbindungen, die bereits seit
der Römerzeit bestanden. Die Pilger wählten ihre Wege danach aus, welche Infrastrukturen
sie ihnen boten. Vor allem waren es Klöster, die den Verlauf bestimmten,
bekannte Herbergen und wichtige Wallfahrtsorte, die man am Weg besuchen
wollte. Bereits der älteste Pilgerführer, der Codex Calixtinus aus dem 12. Jahrhundert
, listet die „heiligen Leichname" auf, „welche die Pilger aufsuchen müssen."
Es würde hier zu weit führen, alle erwähnten Heiligen aufzuführen, denn viele
sind uns gar nicht mehr geläufig. Interessant für uns sind die, welche auf dem Weg
zwischen Freiburg und Basel auftauchen. Damit nähern wir uns der Frage: Gibt es
einen „Jakobsweg", der an Wintersweiler vorbeiführt?
Am ausführlichsten wird im Codex Calixtinus der Abt Ägidius vorgestellt, der in
der Provence, in St. Gilles, beigesetzt ist. St. Gilles liegt westlich von Arles, einem
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