http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2009-01/0099
In den Glashütten und deren Siedlungen herrscht eine strenge Hierarchie. An der
Spitze stand der „Glasvogt", gefolgt von bis zu fünf „Glasmeistern" pro Hütte. Ihnen
unterstanden die „Glasergesellen" und auf der unteren Ebene dieser Rangordnung
arbeiteten die „Schürer", Holzknechte und „Sandgräber".22)
Neben diesen unmittelbar an die Hütte gebundenen Personen gab es noch eine
Vielzahl von Zulieferern wie die „Aschebrenner", aber auch Fuhrknechte für die umfangreichen
Brennholzlieferungen. So entstand mit der Gründung einer Glashütte
nicht nur eine isolierte Produktionsstätte für Glas, sondern es entwickelte sich um
die Glashütte herum ein Netzwerk, das die Voraussetzung zur Bildung einer Infrastruktur
schuf, die wiederum die Basis für einen ersten Siedlungskeim bilden konnte.
Waldraubbau nicht nur durch die Glashütten
Der Holzbedarf für die Glasherstellung war enorm. Für 100 Kilogramm reine
Pottasche benötigten die Glaser rund 200 Kubikmeter Holz. Weitere 100 Kubikmeter
waren notwendig, um die Pottasche zu Glas zu schmelzen. Für die Erzeugung
von einem Kilogramm Waldglas mussten zwischen 200 - 250 Kilogramm
Holz eingesetzt werden. Die Gesamtmenge setzt sich zusammen aus rund 100 Kilogramm
Holz für die Befeuerung der Öfen und 150 Kilogramm für die Herstellung
der dafür benötigten Pottasche.23)
In zeitgenössischen Berichten wurden die Glashütten oft als „holzfressendes Gewerbe
" bezeichnet und bereits im 14. Jahrhundert gab es Klagen über die von den
Glasern verursachten massiven Waldverwüstungen. Auf Grund des starken Holzverbrauchs
wird die Verweil- und Nutzungsdauer eines Hüttenstandortes durch die
Glaser auf durchschnittlich 30 bis 45 Jahre geschätzt.24) Im Nutzungsgebiet rund
um den alten Glashüttenstandort brauchten die Buchen jedoch dann rund 150 -
200 Jahre, um wieder so nachzuwachsen, dass eine weitere Glasbläsergeneration
in diesem Gebiet erneut ihre Produktion aufnehmen konnte. So registrierte man im
gesamten Wiesental bereits schon 1613 immer schwächer werdende Waldbestände
, vor allem im Hinteren Wiesental. Wie schnell umfangreiche Waldbestände bei
der intensiven Nutzung von Glashütten dezimiert wurden, veranschaulicht eindrücklich
das Beispiel Hasel. Dort werden die gesamten, ehemals sehr reichen
Waldbestände im Zeitraum von 1613-1720 völlig verbraucht, worauf die Glasmacher
ihre Produktion einstellen mussten.25)
Neben den in den Quellen immer wieder aufgezählten Verursachern (Bergbau,
Köhlerei, Glashütten, Holzhandel, Harzer) für den massiven Waldraubbau tritt ein
weiterer, im ganzen Schwarzwald aktiver „Holzfresser" bislang überhaupt nicht in
Erscheinung: Der über 500 Kilometer lange Schanzen- und Palisaden-Bau im
Zuge der „Schwarzwald-Linien" des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden,
auch bekannt als „Türkenlouis", der als Oberbefehlshaber der Reichs- und Kreistruppen
und mit Hilfe von Tausenden von Schanzbauern diese „Barriere" gegen
die Angriffslust des französischen „Sonnenkönigs" Ludwig XIV. errichten ließ.
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