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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 1.2010
Seite: 84
(PDF, 30 MB)
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triebene Ford, die Gemeinde nicht eingehen könne." Minsein hätte das Geld auch
gar nicht aufbringen können, denn die Bürger stotterten immer noch die Kosten
der „Aufständischen Jahre 1848 u 49" ab, in denen die Gemeinden Bürgerwehren
stellen und später die einrückenden Soldaten verpflegen mussten. Im November
1852 bestellte man Boll aufs Bezirksamt Schopfheim ein, wo er „im Zustand
vollester Trunkenheit auf der Amts Kanzley erschien & deshalb mit 24 Stunden
Arrest bestraft wurde, welche Strafe sofort vollzogen" wurde. Offensichtlich wurde
man sich über die Kostenfrage einig, denn am 5. Dezember fand sich die Familie
um 14 Uhr am Bahnhof in Haltingen ein, von wo die Fahrt zunächst per Eisenbahn
in Richtung Norden ging. Wie mag sich die Frau Bolls gefühlt haben, die an
der Seite eines Trinkers mit ihren vier Kindern im Alter zwischen 12 und drei Jahren
in die Fremde ging? Die Gemeinde hatte sogar die Schulden Bolls übernommen
, damit der Abreise nichts entgegen stehen konnte. Sein Vater blieb zurück und
musste von der Gemeinde unterhalten werden, die nur den Erlös aus dem Besitz
der Familie erhielt (114 Gulden).48)

Ob der „Waldfrevler und Wilderer" Fridolin Heitz auch ausgewandert ist, geht
aus den Akten nicht hervor. Der erwähnte Weber Jakob Soder aber, ebenfalls ein
Trinker, stellte 1852 einen Antrag auf Auswanderungsgenehmigung und -bezu-
schussung. Seine 18 Jahre ältere Ehefrau hatte „nicht daß mindeste Einzuwenden",
da Soder nichts zum gemeinsamen Unterhalt beitrage, sondern seinen Verdienst
„anderswo in Wirthshäußern" verschwende. Ihre Aussage unterzeichnete sie mit
einem Kreuz, da sie nicht schreiben konnte. Bevor Soder sein Vorhaben in die Tat
umsetzen konnte, verstarb er.49)

Die 19-jährige Anna Maria H. von Nollingen, die wegen Diebstahls im Amtsgefängnis
saß, wurde nach ihrer Entlassung von dort aus samt ihrem zwischenzeitlich
angeforderten Reisepass ins Bürgermeisteramt transportiert, von wo die Reise
gleich weiterging zu einem Auswanderungsagenten. Sie verließ Europa im Jahre
1868.50)

Heimliche Auswanderungen

Einige sogenannte „heimliche Auswanderungen" sind nur dadurch aktenkundig
geworden, dass jemand Anzeige erstattete, eine zurückgelassene Familie von der
Allgemeinheit zu versorgen oder Erbsachen zu regeln waren.

In Kar sau ereignete sich 1888 der Fall des Bäckers Joseph Bär, der seiner Frau
sagte, er gehe in „die Laufenmühle bei Thiengen in Dienst" und ihr dann eine
Postkarte aus Le Havre schrieb, auf der er ihr mitteilte, „daß er nicht in die Laufenmühle
, sondern nach Amerika reiße." Bär hatte bei zwei Müllern, die ihm das
Mehl geliefert hatten, Schulden und konnte sie nicht abzahlen. Er eröffnete in
Brooklyn im Staate New York eine Bäckerei und verdiente genug, um später seine
Frau auf eigene Kosten nachreisen zu lassen und seiner Mutter Geld für Kleidung
zu schicken. Seine Mutter Nanette Bär schickte man ihm auf Gemeindekosten hin-

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