http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2010-01/0150
Dass Johann Peter Hebel diese starken Veränderungen mit dem Einzug moderner
Elemente bei der Markgräfler Tracht nicht unbedingt für gut hielt, lässt sich
aus dem Wortlaut seines Prologs ableiten, den er anlässlich der von ihm selber als
sehr gut gelungen bezeichneten Illustrationen seiner „Alemannischen Gedichte"
schrieb.
In eben diesem Prolog zur Veröffentlichung von insgesamt zehn wunderschönen
Radierungen von Sophie Reinhard im Jahre 1820 schreibt Hebel nämlich: „...und
wer besonders die ältere und schönere sogenannte markgräfler Kleidung noch
kannte, die sich immer mehr modernisiert und verkünstelt, der wird sie mit Vergnügen
hier wieder finden, und dem Andenken aufbewahrt sehn." Tatsächlich wird
einem beim Betrachten einiger dieser Radierungen die schlichte Schönheit der
frühen Variante der Markgräfler Tracht bewusst vor Augen geführt. Hebel war also
sehr zufrieden mit der Arbeit von Sophie Reinhard und lässt nicht unerwähnt, dass
sie ja auch einige Zeit im Markgräflerland verbrachte (ihr Vater Maximilian Wilhelm
Reinhard war von 1782 bis 92 Oberamtsverweser in Lörrach) und damit eine
gute Kennerin der Markgräfler Lebensweise sei. Hebel selbst wird wohl in dieser
Zeit die Tochter des Oberamtsverwesers auch einige Male gesehen haben, da deren
Mutter, eine geborene Pastert, im Hause des Pfarrers Günttert und dessen
Schwiegermutter Karoline Fecht verkehrte. Im Jahre 1792 zog dann die Familie
Reinhard nach Karlsruhe, wohin der Vater in ein höheres Staatsamt berufen wurde.
Bereits einige Zeit vorher waren schon einmal Versuche unternommen worden,
Hebels „Alemannische Gedichte" bildlich darzustellen, jedoch waren diese nie zur
vollen Zufriedenheit des Dichters ausgefallen. Es heißt nämlich weiter: „Ein Versuch
, der in der dritten Auflage der Gedichte gemacht wurde, ist nur wenig gelungen
. Sophie Reinhard, die selbst einige Jahre in jener Gegend gelebt hat, und für
sie eine treue Erinnerung und Liebe bewahrt, hat diese Aufgabe vollkommen erreicht
." Besonders lobt Hebel das schöne Bild der Tochter des Statthalters von
Schopfheim und die Abbildung vom „Kätterli" neben dem Kapuziner in „Der Karfunkel
", wo „die leichtere jungfräuliche Tracht vollendet" sei. Ganz besonders
hübsch gelang ihr aber auch das lebendige Bildnis zum Gedicht „Das Hexlein",
wobei hier eine der sehr seltenen Abbildungen mit einem auf dem Kopf getragenen
„Schi-Huet" zu bewundern ist. Nicht umsonst heißt es in einem Kunstblatt in dessen
Besprechung zur Neuerscheinung u.a.: „Die getreue Darstellung der Landestrachten
gibt diesen Bildern ein eigenes Interesse. Ohne Zweifel werden diese
Blätter allen Freunden der herrlichen allemannischen Gedichte willkommen seyn."
Übrigens stammt auch ein schönes Aquarell aus dem Jahre 1821 aus dem Fundus
von Sophie Reinhard, wobei der Aufhebung der Leibeigenschaft vom 23. Juli
1783 im Oberland und in ganz Baden gehuldigt wird. Auch dort sind besonders
hübsche, fröhliche und tanzende Menschen in der alten Markgräfler Tracht dargestellt
.
Johann Peter Hebel hat dem Vernehmen nach diese großen Veränderungen im
Aussehen der Markgräfler Tracht durchaus kritisch gesehen. Besonders die
Trachtenhaube hatte im letzten Drittel seiner Lebenszeit zum Teil groteske Formen
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