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Goethe dürfen wir also als richtigen Hebel-Fan bezeichnen: Neben Hebels Gedichten
schätzte Goethe auch dessen Erzählungen und bestellte den Rheinländischen
Hausfreund im Herbst 1810 höchstpersönlich, las daraus immer wieder vor
und soll mit seinem Vortrag des Unverhofften Wiedersehens seine Zuhörerschaft gar
zu Tränen gerührt haben!
Erst im Oktober 1815 begegneten sich Hebel und der elf Jahre ältere Goethe in
Karlsruhe bei einer Abendgesellschaft persönlich. Ein Begleiter Goethes trug in
sein Tagebuch ein: „Hebel wird zum Hersagen seiner Gedichte genötigt. Der arme
Mann muss endlich nachgeben und übersetzt jeden Vers ins Hochdeutsch. Goethe
grimmig darüber - man sollt dem Dichter doch die Ehre antun, seine Sprache zu
lernen. - Goethe lobt das Oberländische - sagt noch etwas sich auf ein Liebchen
beziehendes Elsässische her." In Hebels Briefen suchen wir nach Hinweisen auf die
Begegnung mit Goethe vergeblich ...
11) Im Markgräfler Hof:
Baden und Basel
Vor allem politisch-konfessionelle Gründe bewegten badische Markgrafen dazu,
nach dem Dreißigjährigen Krieg in der benachbarten neutralen Schweiz ins Exil zu
gehen, Grund und Boden zu erwerben und prächtige Paläste bauen zu lassen. So
wurde der Markgräfler Hof in der Hebelstraße 2-6 um 1700 als eine der gewaltigsten
Residenzen eines ausländischen Fürsten in der Schweiz erbaut. Erst im Jahre
1808 ging das Gebäude in städtischen Besitz über. Die badischen Markgrafen waren
nun zu Großherzögen aufgestiegen, ihr Staat hatte sich unter Napoleons Einfluss um
ein Vielfaches vergrößert. Just in diesem Jahr wurde Hebel vom Großherzog Karl
Friedrich zum neuen Schul-Direktor berufen. Hebel schrieb am 24. Januar 1808 an
Gustave Fecht: Meine Geschäfte haben sich vermehrt. Ich soll Rektor werden und
aufs Frühjahr in das neue Gymnasium ziehen. Verdrießlichkeiten werden nicht fehlen
. Doch hoffe ich, von einigen Lehrstunden dafür frei zu werden.
Die neuen Besitzverhältnisse des Markgräfler Hofes dürften Hebel in dieser Zeit
also wenig interessiert haben. Dennoch machen wir hier Halt, denn das Gebäude
zeigt uns beispielhaft, wie stark - schon lange vor Hebel - der Kulturaustausch
zwischen Basel und Baden war. Auch die Gartenkultur der Markgrafen war berühmt
geworden. Kein Wunder also, dass Hebel in seiner Kalendergeschichte Teures Späß-
lein eine Basler Wirtin ihrem Gast einen Teller voller zarter Kukümerlein aus dem
markgräfischen Garten servieren lässt.
Auch das literarische Interesse der badischen Exilanten ist belegt: Bei den ersten
nachweisbaren Basler „Faust"-Aufführungen im Ballenhaus der Weberzunft war
Markgraf Friedrich Magnus im Jahre 1696 höchstpersönlich mehrfach anwesend.
Die Schauspielgruppe war aus Durlach angereist!
Als sieben Jahre zuvor, 1689, französische Soldaten das alte badische Archiv in
Durlach zerstört hatten, wurde das neue im Markgräfler Hof eingerichtet. Dessen
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