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verstanden werde. Aus einem Lande, in welchem Milch und Honig fließt, kamen
die Juden nach Europa, und was wollen wir dazu sagen, dass sie der Weihe ihrer
Heimat so getreu blieben, und mehr Charakter und Kraft haben als wir? Wollen wir
sie verdammen? Das sei ferne. Sie konnten aus ihrer Heimat vertrieben werden, das
war Gottes Gewalt. Aber ihre Heimat und Würde und Freiheit des Volks Gottes an
einem Sägbock oder hinter einem Schubkarren verleugnen, das können sie nicht.
Und Hebel hatte großes Verständnis dafür!
23) Im Museum der Kulturen und Naturkundemuseum:
Hebel und Faust: eine ganz besondere Adresse
Wo heute das Museum der Kulturen und das Naturkundemuseum in der Augustinergasse
2 zum Besuch einladen, wurde 1276 das Kloster der Augustiner-Eremiten
gegründet. Nach der Reformation zog dann 1532 das „Obere Collegium" der Universität
ein. Genau hier soll sich ein weiteres Jahrzehnt später folgende schauerliche
Geschichte abgespielt haben: „Als ich, Johann Gast, mit Faust im großen Collegium
speiste, gab er dem Koch Vögel verschiedener Art, von denen ich nicht wusste, wo
er sie gekauft hatte, da in Basel damals keine verkauft wurden. Er hatte einen Hund
und ein Pferd bei sich, die, wie ich glaube, Teufel waren, da sie alles verrichten
konnten. Einige sagten mir, der Hund habe zuweilen die Gestalt eines Dieners angenommen
und ihm Speise zugebracht. Der Elende endete auf schreckliche Weise,
denn der Teufel erwürgte ihn." Dieser Story kommt für die Legendenbildung um
Doktor Faust eine große Bedeutung zu: Der biographisch fassbare Faust starb um
1540 in Staufen. Mit Gasts Geschichte besitzen wir einen der frühesten schriftlichen
Hinweise für den teuflischen Hunde-Begleiter Fausts und dessen furchtbare
Todesqualen. Goethe hatte von dieser Quelle keine Kenntnis - und Hebel?
Wir wissen es nicht mit Sicherheit, aber Hebels Karfunkel-Gedicht ist für die
Faust-Forschung bis heute von großer Bedeutung, denn Hebel hat hier zum ersten
Mal in der langen Reihe der literarischen Bearbeitungen dieses Stoffes Faust-
und Mephisto-Motive - biographisch korrekt - nach Staufen verlegt. Hebel muss
die mündlichen Erzähltraditionen zwischen Basel und Freiburg gekannt haben:
Schon die Wahl des Titels weist auf Diabolisches hin, denn der äußerlich rote Glanz
des Karfunkelsteins könnte im Innern kohlschwarz (carbunculus=die kleine Kohle)
sein; der Karfunkel wird im Gedicht zum Symbol eines teuflischen Pakts, nach
dessen Ablauf der spielsüchtige, sündige Bauernsohn Michel von einem als Kapuzinermönch
verkleideten Grünrock um Mitternacht abgeholt und zum Selbstmord
gezwungen wird: Hau der d Gurgele selber ab, se chosfs di ke Trinkgeld! In diese
Geschichte hinein komponiert Hebel einen Angsttraum der armen Frau des Sünders
: 's isch em gsi, es chömm vo Staufe füren an d! Landstroß:! an der Landstroß
goht e Chapeziner und betet. Erst über 60 Jahre später wurde durch die Veröffentlichung
der Zimmerschen Chronik der historische Nachweis erbracht, dass Hebel
Recht hatte und Faust in Staufen „vom bösen Geist umgebracht worden ist." - Mit
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