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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 124
(PDF, 31 MB)
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gibt für die harmonische Vereinigung von Vernunft und Sinnlichkeit. Das führt
dann ganz einfach zu folgendem Rat: Die Frage - „Wie soll man zu dem Unsichtbaren
beten?"31 - wird „sinnlich" beantwortet: „Gerade so, und gerade nur so, wie
man mit dem Sichtbaren reden würde. Da liegts! Dies ist in so vielen Gebeten vergessen
, und dann wird die Rede unvermeidlich Geschwätz."32 Die Menschwerdung
Gottes bedeutet Sichtbarwerdung des Unsichtbaren. Von der Form her auffällig
ist, dass der entscheidende Gesichtspunkt wieder als Gebet formuliert wird - in
Anlehnung an Martin Luthers Formulierung in der Auslegung des Vaterunsers im
Kleinen Katechismus: „Tausche der liebe Gott uns gegen diese fremde Zunftsprache
unsere natürliche Sprache wieder ein, die wir verloren haben, damit wir beten
können, wie die lieben Kinder zu ihrem lieben Vater, nicht wie steife Handwerksgenossen
und Alt-Gesellen im geschworenen Gruß."3334

Nun kann man diskutieren, ob und wie Hebel das in seinen Predigten und Agendengebeten
eingelöst hat.35 Aber eine Schlussfolgerung drängt sich nach dem Gesagten
auf: Die Gedichte sind eine beispielhafte Ausführung all dieser Überlegungen
. Denn was ist das Alemannische anderes als die natürliche, die Sinnen gewinnende
Sprache? So dass die dichterische Sprache die natürliche ist, mit ihr zusammenfällt
, nur eben in gereinigter, veredelter, also vom Dichter bearbeiteter
Form. Sie spricht die Sinnlichkeit an, wie eben die dichterische Religion, die die
biblische ist, den ganzen Menschen anspricht, weil es die ihm natürliche, nur „gereinigte
" Religiosität ist. Die These lautet also: Die Gedichte sind Beispiel der
praktischen Einlösung der Maßgaben, die er in seinen „popularästhetischen" Überlegungen
zu Predigt und Gebet theoretisch entwickelt hat - bleibender Gehalt in
bleibender Gestalt.

8. Es gibt einen weiteren „Test" für diese Behauptung: Man halte die Gedichte
neben die Prinzipien, die Hebel wieder in einem längeren Schreiben darlegt, als
weitere Ausführung seines „Programms", diesmal gerichtet an den Eppinger Pfarrer
Christian Wilhelm Köster, der zu Fragen des Gottesdienstes veröffentlicht
hat.36 Es datiert vom 11. April 1801, ist demnach nachweislich in einer Zeit ver-
fasst, da die Gedichte bereits im Entstehen waren. Beachtenswert ist, wie sachlich
und sprachlich nahe er, wo es um Gebete geht, an die eigene Charakteristik der
Gedichte rückt.

Er weiß sich mit Köster „in den Grundsätzen einig, wodurch alle Manieren vereinigt
werden müssen, daß die Erbauung nicht in das Herz des Zuhörers als in ein
leeres Gefäß hinüber gegossen, sondern aus ihm als einer verschlossenen Quelle
herausgefördert werden müsse; daß die geistlichen Zunftartikel ganz vermieden,
und natürliche Gedanken und Empfindungen in natürlicher Sprache vorgetragen
werden müssen; daß die ächte Popularität nicht darin bestehe, den gelehrten Vortrag
bis zur Allgemein-Verständlichkeit hinab auseinander zu ziehen, sondern die
genuine Art der Vorstellung und Darstellung des Volks unmittelbar und lebendig
aufzufassen, und nur veredelt auszudrücken und daß schöne gereinigte Sinnlichkeit
in der Darstellung die Blüthe der Popularität und das wirksamste Vehikel für

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