http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2013-01/0062
Stadttheater prozessiert gegen Variete
Auch das Stadttheater hat die Rezession während des 1. Weltkrieges deutlich gespürt
, nicht zuletzt wegen der neuen Konkurrenz in der Steinenvorstadt. Deshalb
versuchte es anfangs der 20er Jahre mit zum Teil recht fragwürdigen Mitteln, das
Küchlin auszuschalten. Es reichte beim Polizeidepartement Beschwerde gegen die
Küchlin-Theater AG wegen Verstoßes gegen die Betriebsbewilligung ein, mit der
Begründung, dass im Küchlin Operetten und Theaterstücke aufgeführt würden.
Das entspräche nicht der ursprünglichen Aufgabe eines Variete Theaters und schädige
dadurch den Betriebsgang des um Qualität bemühten Stadttheaters. Deshalb
habe die Küchlin-Theater AG die Aufführungen zu stoppen.
Die Beschwerde wurde zurückgewiesen, doch hatte Dr. V. E. Scherer, damaliger
Präsident des Stadttheaters, in weiser Voraussicht eine weitere Beschwerde eingereicht
, diesmal bei der eben erst gegründeten Fremdenpolizei des Bundes. Es gab
nämlich eine Bestimmung, die es ausländischen Arbeitskräften nicht erlaubte, in die
Schweiz einzureisen, wenn dadurch das einheimische Gewerbe oder die einheimischen
Arbeitskräfte benachteiligt würden. Damit wollte Scherer verhindern, dass die
vom Küchlin engagierten ausländischen Künstler überhaupt in die Nähe des Varietes
gelangten. Die Beschwerde wurde von der Bundesstelle umgehend nach Basel zurückgeschickt
, wo sich wiederum das Polizeidepartement damit befassen musste:
Überraschenderweise entsprach man der Beschwerde. Die Leitung des Küchlins
reichte sofort Rekurs beim Regierungsrat ein, der ihn teilweise guthieß.. .16
Die Villa Küchlin in Horben
Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn Karl Küchlin seinen Ziehbruder Max
erneut rief, als er 1923 oberhalb der Großmatten in Horben seine private Sommerfrische
, die heute noch existierende Villa Küchlin, bauen wollte. Klug und berechnend
wie er immer war, hat der in Basel lebende Variete-Direktor mitten in der in
Deutschland grassierenden Inflation, von der er nicht betroffen war, diese Gelegenheit
genutzt. Jetzt kam ihm seine schon 1907 gebaute private Wasserleitung zustatten
. Sie lief von seiner eigenen Quelle vom oberen Bohrertal zum Friedrichshof
. Daran konnte jetzt auch die Villa Küchlin angeschlossen werden.
Inmitten seines im Landschaftsschutzgebiet liegenden Grundbesitzes durfte
Küchlin 1923 noch seine Sommerfrische, die „Villa Küchlin", errichten. Der
Kunstprofessor Max Laeuger entwarf ein schlichtes, wohlproportioniertes Landhaus
in neoklassizistisch-neobarockem Stil sowie eine weitläufige Parkanlage am
Westhang des Bohrertales. Die Familie Küchlin bewohnte diese idyllisch gelegene
Villa regelmäßig während der Sommerzeit. Im Winter diente ihr Stadthaus am
Spalenberg in Basel als Domizil. Diesen Rhythmus behielt auch ihre einzige Tochter
Elise (1894-1988) bei. Sie blieb unverheiratet und setzte sich, wie ihr Vater, als
Mäzenin für Kunst und Kultur ein. Ihr Status erlaubte es ihr, einen Vollzeit-Gärt-
60
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2013-01/0062