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wurden. Wenn lackiert wurde, durfte niemand in der Werkstatt herumlaufen. Der
ganze Boden, es war ein Zementboden, wurde unter Wasser gesetzt, damit ja kein
Staub aufwirbeln konnte, und nur der Lackierer durfte in der Werkstatt sein, die
nach getaner Arbeit zugeschlossen wurde."10
Am Samstagabend erschienen sämtliche Gesellen, um ihren Lohn abzuholen.
Der Vater sprach dann mit den Gesellen über die anstehenden Arbeiten und teilte
ihnen auch mit, ob er zufrieden sei oder nicht. Dies deutet auf die patriarchalische
Struktur von Kleinbetrieben hin. Der Prinzipal war ein Herrscher im kleinen Stil,
die Gesellen schuldeten ihm Gehorsam und Respekt.11 Die Konkurrenz zwischen
den kleinen Betrieben war groß. Überleben konnte nur, wer qualitativ einwandfrei
und zu einem günstigen Preis anbot. Immerhin drohte den kleinbürgerlichen Malermeistern
nicht eine so schnelle Proletarisierung wie anderen Handwerkern, beispielsweise
Drechslern oder Wagnern, deren Produkte industriell weit billiger angefertigt
werden konnten. Ihre Mentalität war entsprechend konservativ und verharrend
in einer Abwehrhaltung.12
Die Mutter Fritz Fischers war eine fromme, kirchlich denkende Frau, im Gegensatz
zum Vater, der durchaus kirchenkritisch war. Leider war sie oft krank und lag
dann im St. Josefs-Krankenhaus. Fürsorglich, wie sie war, hob sie das Dessert für
den Sohn auf, wenn sie dieser besuchen kam: „Am liebsten hatte ich, wenn es Eis
gab, das war daheim eine Seltenheit."13
Wenn die Mutter krank war, half die rüstige Großmutter zuhause aus. „Auch die
gute Nachbarschaft bewährte sich in solchen Fällen."14
Während die Eltern im protestantischen Glauben lebten, war eine Großmutter
katholisch. Sie nahm den Enkel bisweilen mit in den Gottesdienst. Der Knabe fand
alles viel prächtiger und farbiger. Besonders imponierten ihm die vielen Ministranten
, die Kerzen, die Orgelmusik und der Weihrauchkessel.15
Störarbeiter- und arbeiterinnen
Besonders gut erinnern kann sich Fritz Fischer an Frau Haug, die auf Stör nähte.
Sie war sehr fleißig, „stopfte Löcher, schnitt «blöd» gewordene Teile aus Leintüchern
und anderer Weißwäsche und nähte sie zusammen zu wieder brauchbaren
Stücken."16 Dies zeigt auf, wie unsere Vorfahren nichts wegwarfen, vieles flickten
und wiederverwendeten. Das hatte die Knappheitsgesellschaft so an sich. Für eine
Frau Haug war der Alltag sicher streng und der Zahltag mager. Immerhin war aber
die Stör für eine Schneiderin eine Möglichkeit, recht unabhängig zu arbeiten.
Das galt auch für die Wäscherinnen, die ebenfalls von Haus zu Haus zogen und
sich für wenig Geld abrackerten. Als erstes bekamen sie am Morgen einen „Grünen
" zu trinken:
„Das war ein selbstgemachter Schnaps, zu dessen Bereitung Pfefferminzblätter
in Hefe- oder Treberbranntwein eingelegt und in einer «Guttere» in die Sonne gestellt
wurden."17
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