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meindeordnungen in den einzelnen Bundesländern auch sehr unterschiedlich sind.
Über die Wahl des Stadtoberhaupts gibt es demnach im Grundgesetz keine Aussage
. In Baden-Württemberg hat man sich für den Typ der so genannten „Süddeutschen
Ratsverfassung" mit Direktwahl des Stadtoberhaupts entschieden; diese
wurde im ersten Kapitel schon dargestellt. Eine Konsequenz der neuen Gemeindeordnung
für Braye war aber schon vorab, dass er nun mit dem 1.04.1955 die Amtsbezeichnung
Oberbürgermeister führen durfte.
Am 10. November 1957 begann in Lörrach eine neue politische Ära. Die Lörracher
Bürgerinnen und Bürger konnten zum ersten Mal in ihrer Geschichte durch
allgemeine, gleiche, freie und geheime Wahlen direkt ihr Stadtoberhaupt bestimmen
. Nach Ablauf der achtjährigen Amtszeit wurden im ehemaligen Land Baden
der französischen Besatzungszone nun zum ersten Mal die Bürgermeister nach der
neuen Gemeindeordnung gewählt. Für einen Erfolg ist im ersten Wahlgang die absolute
Mehrheit der Abstimmenden notwendig, im zweiten Wahlgang reicht dann
die einfache Mehrheit. Somit beginnt eine neue Qualität der demokratischen Legitimation
des Stadtoberhauptes, die durch den Souverän, das Volk. Das ist ein wichtiges
Element einer direkten Beteiligung der Bürger. Diese Aussage ist aber so nur
eingeschränkt richtig. Uneingeschränkt richtig ist sie nämlich nur für die Kernstadt
Lörrach mit Stetten. In den Gemeinden unter 5000 Einwohner konnten die Bürgerinnen
und Bürger schon während der Weimarer Republik ihr Gemeindeoberhaupt
direkt wählen. So hatten die Ortsteile Tüllingen und Tumringen, die durch ihre
Eingemeindung 1935 bei der Oberbürgermeisterwahl 1957 schon zur Stadt
Lörrach gehörten, und Haagen, Hauingen und Brombach, die erst 1974 dazukamen
, der Kernstadt etwas voraus.
Allerdings brachte der erste Wahlgang am 10. November 1957 noch kein Ergebnis
. Amtsinhaber Braye hatte mit 48,3% der Stimmen knapp die erforderliche
absolute Mehrheit verpasst. Dabei hatte sich das bürgerliche Lager durch die
Aufstellung zweier Kandidaten selbst geschwächt. Gegenkandidaten waren der
Oberregierungsrat Hans Schwörer aus Freiburg, der von einer Wählerinitiative
aus Mitgliedern der CDU und FDP unterstützt wurde. Mit dem Rechtsanwalt Dr.
Schmitt präsentierten die Freien Wähler einen eigenen Kandidaten. Im großen
Gegensatz zu heute war das Lagerdenken aus der Zeit von vor 1933 selbst in der
Kommunalpolitik noch weit verbreitet. Das bürgerliche Lager, verkörpert durch
CDU, FDP und Freie Wählergruppen, stand dem Lager der Arbeiterbewegung
gegenüber, das seit dem bundesweiten Verbot der KPD im Jahre 1956 nur noch
durch die SPD repräsentiert wurde. Die SPD verabschiedete ihr Godesberger
Programm mit dem Schritt zur Volkspartei erst 1959. Adenauer-Zeit und Kalter
Krieg taten ihr Übriges dazu, so dass die beiden Lager ideologisch immer noch
Welten zu trennen schienen. Auch hatte sich Arend Braye immer bewusst zu seiner
SPD-Herkunft bekannt und weniger die Haltung eines überparteilichen Stadtoberhaupts
eingenommen.
Gerade die Bundestagswahl vom 15. September 1957, also nur wenige Wochen
vor der Lörracher Oberbürgermeisterwahl, hatte der CDU nicht nur bundesweit,
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