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41 Gegen die vom Evangelischen Oberkirchenrat vorgetragenen Argumente wandte sich der Freiburger
Landeskommissär mit dem Argument „es habe nur eine oberflächliche Untersuchung (Vernehmung
des Pfarrers und der von ihm angegebenen Zeugen) gegeben. Ein wohlgesinnter Gemeinderat
, welcher die Entfernung eines Pfarrers wegen seines Radikalismus wünscht, verdient nach meiner
Ansicht in dermaliger Zeit alle Unterstützung." Einen Monat später schreibt derselbe Landeskommissär
, dass es ihm „im Interesse des Friedens der Gemeinde Mappach und da sich Pfarrer
Raupp in politischer Beziehung wenigstens eines sehr zweideutigen Benehmens schuldig gemacht
hat, höchst wünschenswert erscheine, daß derselbe ehestens von da versetzt wird." (Th. Scholz:
„Revolutionäre...", Müllheim 1926, S. 315)
42 1. Mose 50, 20
43 Im November übernimmt Johann Georg Wilhelm Stern *1820 in Mosbach f 1901 Vikar und Pfarrer
in Wollbach, Kandern, als Pfarrverweser Mappach und bleibt bis 1867. Danach ist er bis 1891
Pfarrer in Weil (Neu, S. 592)
In Ittersbach (Ende October 1849 bis 23. September 1850)1
Es war zu schön für uns in Mappach. Wir bedurften der Demüthigung und dazu
war Ittersbach ganz geeignet. Fern von der Landstraße und dem Weltverkehr auf
einer Hochebene des gegen Pforzheim niedergehenden Schwarzwalds - wenige
Schritte von der württembergischen Landesgrenze gelegen mit meist armen Einwohnern
ist der Ort recht zum Stilleben geeignet. Kirche, Pfarrhaus und Schulhaus
stehen beisammen, etwas von den übrigen Häusern getrennt. Die badischen Nachbarorte
sind Langenalb, Weiler und Langensteinbach. Die Einwohner, meist Weber,
sind geweckten Geistes und zeigten sich für meine Bemühungen sehr empfänglich
und dankbar. Mein Aufzug daselbst war übrigens ein trüber, äußerlich und innerlich
. Ich hatte gebeten, mir eine Wagenchaise nach Ettlingen zu schicken, fand aber
bei meiner Ankunft keine vor. Nach kurzem Aufenthalt daselbst im Gasthaus zur
Sonne suchte ich endlich ein Fuhrwerk, das mich nach Ittersbach bringe. Es war
nichts aufzutreiben als ein gewöhnlicher Futterkarren mit einem Pferd, das keine
schnelle Beförderung hoffen ließ. Die Zeit drängte und so bestieg ich, nicht eben
rosig gelaunt das Fuhrwerk. Es begann allmählich sachte zu regnen, und je höher
es hinauf ging mitunter zu schneien, daß ich mich düster in meinen Mantel wickelte
. Je trauriger die meist waldige Gegend wurde, desto trauriger meine Gedanken.
Endlich ging es ein wenig bergab, die Gegend wird lichter und da unten liegt ein
nicht unansehnlicher Ort. „Ist das Ittersbach?" „Ja, mein Herr." Nun wird der Geist
wieder froh und ich empfahl mich dem Beistand Gottes. Aber was ist das? Bei der
Einfahrt in das Dorf läuft eine Frau über die Straße mit wirren Haaren und kaum
halb bedeckter Brust! Da sank mir der Mut wieder. „Wo soll ich Sie absetzen", fragt
der Fuhrmann. „Wo Ihr wollt" , meine düstere Antwort. Er fährt zur Kirche.
Niemand empfängt mich. Ich, die große Stiege hinauf, trete in das Gastzimmer
und der erste Anblick ist wieder ein Weib mit wirrem Haar und einen Säugling
an der offenen Brust. „Was wünschen Sie?" ist alles was sie sagte. „Ich bin ihr
neuer Pfarrer". Erschreckt streicht sie ihre Haare mit den Händen zurecht und ruft
„Herr Je, Herrje". „Der Bürgermeister und der Lehrer sind Ihnen ja entgegen ge-
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