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Schloßkirche das Glanzstück darstellt — von der Erfüllung des
Gelübdes entbunden wurde.
Trotz dieses Losspruchs kam nun der Gedanke des Kirchenbaus
von dieser Zeit an nicht mehr zur Ruhe. Die Bauaufgabe fällt freilich
nicht mehr der Herrschaft zu, sondern wird jetzt
vonderBürgerschaft aufgegriffen, liebevoll gehegt und vorwärtsgetrieben
. Vor allem zwang das unaufschiebbare Bedürfnis
nach einem besseren, größeren und würdigeren Gotteshaus zum
Planen und Handeln.
Wohl besaß die Stadt bereits ein Gotteshaus, die sehr alte
Bernharduskirche, die als eines von wenigen Bauwerken
die furchtbare Zerstörung der Stadt beim Brand im Jahre 1689 ohne
allzu großen Schaden überstanden hatte. Aber nach den lebhaften
Klagen der Ratsherren und Kirchenbesucher sowie dem Urteil von
Fachleuten war dieses Gebäude schon um die Jahrhundertwende
„wirklich baufällig und ruinös" und nach einem Sturm so hart
mitgenommen, daß es eher „einem bethlehemitischen Stall und einer
ziegellosen Scheuer" glich. Zudem war es viel zu engräumig, so daß
beim Gottesdienst an Sonn- und Festtagen Hunderte von Kirchgängern
außerhalb auf dem dabei liegenden Friedhof stehen mußten.
Wenn stürmische Winde tobten und die Ziegel reihenweise vom
Dach fegten, bot es eine ständige Gefahr für Leib und Leben. Um so
gebieterischer erhoben sich jetzt Stimmen aus allen Kreisen der
Einwohnerschaft und forderten immer dringender den Bau einer
Kirche, deren Raumverhältnisse der rasch wachsenden Bevölkerung
Genüge leisteten. Außer den zahlreichen Rücksiedlern waren viele
fremde Familien, hauptsächlich Handwerker und Geschäftsleute,
ansässig geworden, da der Wiederaufbau der Stadt und die Errichtung
der mannigfachen herrschaftlichen und privaten Gebäude unübersehbare
Arbeitsmöglichkeiten und damit auf lange Zeit ein
sicheres Brot boten.
Geräumigeres Gotteshaus wird unabweisbare Forderung
Das Visitationsprotokoll vom Jahre 1683 nennt für Rastatt 118 Familien
(etwa 600 Seelen), für Rheinau 12 Familien, das Protokoll vom
Jahre 1701 bereits 150 Familien, ein Bericht des Architekten Johann
Peter Ernst R o h r e r von 1740 gibt jedoch bereits 5000 Seelen an,
also beinahe die siebenfache Bevölkerungsziffer innerhalb vier Jahrzehnten
. (Hatte schon zu Anfang des Rastatter Bauwesens um 1700
ein starker Zuzug aus böhmischen Gebieten eingesetzt, so folgte
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