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Straßburg: „viele unserer armen Leute haben, von Haus und Hof
vertrieben, alles, was sie besessen, zur Beute hinterlassen müssen
und haben in den Wäldern lange Zeit umherirrend auch an ihrer
Leibsgesundheit schweren Schaden erlitten. Es ist drum von nöthen,
daß man durch die Fürbitt der hl. Martire Sebastiani und Rochi Gott
anflehet, seinen Zorn von uns abzuwenden und gnädig von der
bösen Krankheit uns zu behüten210)."
St. Sebastian war der „Pfeilenheilige", der nicht nur der Patron
der Schützengilden war, sondern auch angerufen wurde, um die
„Giftpfeile der Pestilenz" abzuwenden. Den Sebastianskult kannte
der Abt von seiner frühen Jugend her, wo er an der Hand seiner
Mutter nach unserm vielgenannten Dangolsheim zu seinem uralten
„Baschenheiligtum" wallfahren ging.
St. Rochus pflegte einst auf seinen Pilgerfahrten viele Pestkranke
und starb, erst nach seinem Tode von den Seinigen erkannt, im Kerker
der eigenen Heimat. Noch im Mittelalter erhielt Zell bei Unshurst
eine Rochuskapelle mit der typischen Plastik des Heiligen, wie er
am entblößten Knie eine Pestbeule zeigt211).
Es ist schon eine Tragik, daß Abt Kaspar Schön bereits am 21. Februar
1638 selber als Opfer der Landesseuche starb. Er fand sein
Grab im Klostermünster inmitten zweier Wohltäter der Abtei, eines
Pfalzgrafen bei Rhein und der Reichsgräfin Karolina von Hanau211).
Unter dem nachfolgenden Abte Jakob Eberwein IL zog das
Kriegsgespenst weiter durch das Land. Noch im Herbst 1638 machten
die Schweden einen ihrer gefürchteten Einfälle in die Markgrafschaft
; bei Nacht ritt der Markgraf nach Speyer und kehrte mit einer
starken kaiserlichen Reiterei zurück, die die Schweden schlug und
verjagte. Im folgenden Jahre zog Herzog Bernhard von Weimar
zweimal den Rhein herauf, Unheil verbreitend, da starb er unterwegs.
überall zeigten sich schlimme Spuren der Invasion. Doch das erschütterndste
Bild waren die Scharen der vielen Kinder, deren Eltern
tot oder verschollen waren; verwahrlost und verwildert zogen sie
umher und holten sich, halbverhungert, was in Häusern und Feldern
übriggeblieben war. Der Markgraf ließ die Kinder sammeln und ins
Spital nach Baden bringen, wo sie Kleider, Nahrung und Zucht erhielten
durch einen besonders für sie angestellten Lehrer212).
Die Verarmung war unerträglich geworden. Ettlingen schuldete
an Kontributionen 20000 Gulden, ähnlich Bühl und die Kreise Stoll-
"') Luz. Pfleger, Sebastians- und Rochuskult, ElsaBland, Jahrgang 15, Heft 2.
2n) Gallus Wagner, Schwarzacher Chronik, II.
Kast, Mittelbadische Chronik, 1934.
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