http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1952/0063
Dörfer da und fühlten sich geschützt und gesegnet durch die Nähe
diesen eigen großen Mannes298).
Dann kam das Jahr 1765, wo der seit zwei Jahren vorbereitete
Erbschaftsvertrag bekanntgemacht wurde, den der kinderlose Markgraf
August Georg mit Durlach abgeschlossen hat. Das Bekanntwerden
löste in der ganzen oberen Markgrafschaft Unruhe aus, und
in Schwarzach kam es bei einer Huldigung zu einem großen Tumult.
Die Durlacher ließen die Ortschaften besetzen, was die Unruhe vermehrte299
).
Am 1. Oktober 1771 starb der letzte Markgraf von Baden-Baden.
Mit der Übernahme der oberen Markgrafschaft verlangte Durlach die
völlige Territorialgewalt über das diesseitige Schwarzacher Abteigebiet
. Die Forderungen beim Reichskammergericht waren folgende:
1. das exercitium iuris territorialis — nämlich die Kastenvogtei über das
Gotteshaus (= Abtei) und alle seine Güter, die Obsicht bei Abtswahlen,
Schaffnerverpflichtung und bei der ganzen Güterverwaltung, die Abhör der
Klosterrechnungen und die Genehmigung aller Verträge.
2. das ius in politicis — nämlich Landeshuldigung, Gesetzgebung, Landesschutz,
Obergerichtsbarkeit in bürgerlichen Fällen, der Blutbann und die Anstellung
fürstlicher Beamte und Diener in Schwarzach.
3. die actus gratiae — so die Begnadigungen, das Geleit auf öffentlichen Landstraßen
und das Recht, Juden aufzunehmen.
4. die actus utiles — so das Kollektenrecht, die Einberufung des Landtages und
Beteiligung des Gotteshauses, die Erhebung von Landschatzungen, Umgeld,
Zoll und das Salzmonopol.
5. die Entgegennahme der actuum honorificorum — des solennen Empfanges,
des öffentlichen Gebetes für das fürstliche Haus, des Totengeläutes und der
Landestrauer.
6. die negotia belli — nämlich Musterung, Kriegsgefolge, Kriegsfronden, Kriegskosten
und Einquartierungen3"0).
Die Stellungnahme des Reichskammergerichtes zu diesen Forderungen war klar
und deutlich:
1. ein Teil der vorgebrachten Forderungen ist nichts anderes als die Konsequenz
der Kastenvogtei.
2. der ganze andere Teil ist Ubersteigerung der Ansprüche und eine Kränkung
der abteylichen Rechte301).
Diese Stellungnahme kam Baden-Durlach doch unerwartet, und die
Unsicherheit wird keineswegs durch die pathetische Frage verdeckt:
„wie einem jeden Hohen Reichstand zu Muthe sein werde, wenn die
nähmlichen Rechtsgründe zugunsten seiner Landsassen geltend ge-
m) Schwarzacher Pfarregistratur 1763.
m) Schwarzacher Urkunde Nr. 717.
Badisch-Durlachische Prozeßschriften, III., 3. Kap. § LXXXII.
Badisch-Durlachische ProzeBschriften, V., § 69.
63
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1952/0063