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Kelche, Monstranzen, der Abtsstab und sämtliche Meßgewänder,
Altartücher und sonstiger Ornat hinweggenommen, zerschlagen,
zerrissen, verwüstet; die Speisevorräte — auf 2000 Viertel Korn,
70 Viertel Weizen, 60 Viertel Gerste, 90 Viertel Hafer, 50 Viertel
Mehl, 24 Viertel Kleie, 9 Viertel Nüsse, 8 Scheiben Salz, 500 Pfund
Anken und Schweineschmalz, 80 Viertel Speck, ein ziemliches an
Rauchfleisch, 6 Fuder Wein, 1 Viertel Essig —, dazu 60 Stück Rindvieh
; 250 Schweine, 250 Schafe und 1000 Fische aus dem Klosterweiher
„versoffen und verfressen"; eine ansehnliche Zahl vollständiger
Betten mit Kissen und Sergen, dann Schränke und Truhen samt
anderem Hausrat, endlich Kessel, Pfannen, Kannen, Gießfässer usw.
in der Küche zugrunde gerichtet oder hinweggeführt während der
acht Tage, in denen der Haufe im Kloster hauste. Den unersetzlichsten
Verlust hat die Abtei damals an ihrer Bibliothek und dem
Archiv erlitten, da alle Pergamente und Bücher, was nicht zuvor
nach Straßburg in Sicherheit verbracht worden war, zerrissen und
verbrannt wurden. Denn wie überall sahen die Bauern in Schriften
und Urkunden die Beweismittel zu ihrer Bedrückung und glaubten,
durch Zerstörung derselben ihre Lasten abschütteln zu können. Alles
in allem achteten Abt und Konvent den angerichteten Schaden auf
5000 fl. (Amt und Kloster Schwarzach, Fasz. 904).
Gleichzeitig versammelten sich auch die Bauern des Amtes Will-
stätt und des Bischofsheimer Stabes — des Amts Lichtenau oberhalb
der Wehrhäge — samt anderen Aufrührern des Gerichts Griesheim
(Windschläg, Zunsweier usw.) unter Führung des Wolf Schütterlin,
eines Wirtes in Willstätt, und nahmen ihren Weg gegen die bischöf-
lich-straßburgische Stadt Oberkirch, wo sich die Bauern aus dem
Rench- und Achertal einstellten. Ihr Haufe schwoll in wenigen Tagen
auf 8000 Mann an, denen die Propsteien zu Lautenbach und Oberkirch
und das Kloster Allerheiligen zum Opfer fielen.
Widerstandslos brachen die Gewalten zusammen; kein Schwerthieb
fiel. Denn auch der kleine Mann hinter den Toren der Reichsstadt
Straßburg war für die Erhebung entflammt und stand mit
seinen Sympathien auf der Seite der Bauern. Mit Rücksicht auf diese
Stimmung in der Bürgerschaft beharrte der Rat in wohlwollender
Neutralität und zeigte sich den Aufständischen im allgemeinen
freundlich gesinnt. Dieselbe Haltung nahm auch Markgraf
Philipp von Baden ein. Als uneigennützige Makler bestimmten
beide die ortenauischen Herrschaften zu verständnisvoller Nachgiebigkeit
und suchten die revolutionäre Bewegung in eifrigem Verhandeln
unter mancherlei Zugeständnissen beizulegen. So ritt der
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