http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1954/0207
Anekdoten um die Schaffner von Gaisbach1)
Von Freifrau B. von Schauenburg
3. Verwalter Christoller um 2696
Aus der Regierungszeit dieses Verwalters ist uns ein originelles Schriftstück
überliefert. Dieses beweist uns, daß nicht, wie die Legende sagt, die Feste Schauenburg
1689 im Pfälzer Erbfolgekrieg mit den Städten Oberkirch und Offenburg verbrannt
wurde, denn noch 1693, bei dem zweiten Franzoseneinfall, haben laut des
Protokolls Bauern der Umgebung ihr Getreide auf das feste Schloß geflüchtet.
Es ist ein Zeichen, daß die Burgen ihren Dorfbewohnern in schweren Zeiten Schutz
gewährten. Es liegen nun rührende Bittschriften an den Gerichtsherrn Heinrich
von Schauenburg vor, man möge doch den Bürgern wieder zu ihrem abhandengekommenen
Eigentum verhelfen.
Der Bauer Weber erzählt, er habe für seine hungernden Kinder Getreide im
Hanauerland erarbeitet. Dieses habe er vor dem Feinde geflüchtet, es sei ihm
aber von seinem Nachbarn entwendet worden.
Der Schloßbauer Riehle bezichtigt sogar den Schultheiß und Burgvogt Müller
von Gaisbach, er habe ihm das auf Schloß Schauenburg aufbewahrte Getreide
nicht zurückgegeben. — Aus der Zeugenaufnahme geht nun hervor, daß französische
Soldaten dort oben sich einquartiert hatten, und der Kommandant habe dem
Schultheißen Müller selber geraten, einen Teil des Getreides vor den Soldaten zü
verstecken. Eine Magd will durch das Schlüsselloch gesehen haben, wie der Burgvogt
mit dem „Rebmesser" ein Loch in den Stubenboden gebohrt und das Korn
in das darunter liegende Gewölbe habe hineinlaufen lassen.
Müller erklärte, es sei noch Getreide in der Sturmlauben (Wehrgang) stehen
geblieben. Er selbst habe sich, als die Franzosen zum Requirieren kamen, im Bett
verkrochen und krank gestellt, um nicht die schweren Säcke hinabtragen zu
müssen. Dann sei sein Ankläger Riehle zu ihm hereingestürzt und habe folgendermaßen
geschworen: „Der Teufel soll mich holen, jetzt ist dem Weber sein Getreide
auch fort. Der wird aber duhn (schimpfen) und ein Läbdag machen."
Der Gerichtsbeschluß lautet folgendermaßen: Für die vom Feind genommene
Menge Getreide wird kein Ersatz geleistet. Der Schloßbauer Riehle aber, weil er
gegen den ganz unbescholtenen Burgvogt Müller erst nach drei Jahren geklagt
hat, nämlich 1696, nachdem er aufgefordert worden war, den Verlust nach Abzug
der Soldaten zu melden, wird mit 40 fl Strafe belegt; weil er wegen Armut nicht
zahlen kann, wird er in den Schuldturm gesperrt. Zwei Bauern, die mit ihm über
den Burgvogt geschimpft haben, zahlen 10 fl je Person. Der Angeklagte bleibt als
Schultheiß in Amt und Würden.
Es ist von Interesse, daß er der letzte Burgvogt gewesen ist, denn vierzig Jahre
später meldet die Chronik: „Die Burg Schauenburg, wo einstmals ein Burgvogt
gehaust hat, liegt in Ruinen." Sie war zum Steinbruch für die unterhalb angesiedelten
Dorfbewohner geworden.
Eine erwähnenswerte Strafsache unter der Amtszeit des Schaffners Christoferi
betrifft Gotteslästerung: Barthel Mausch aus dem Dorf Tiergarten hat im Wirts-
') Siehe „Ortenau", 33. Heft.
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