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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
36. Heft.1956
Seite: 155
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und den Grund zu den überraschend vielen Wohlfahrtsstiftungen der Gegend
gelegt. Sie sind in einen ganz katholischen Bezirk geraten — ich hoffe, daß
Sie sich trotzdem wohl darin fühlen, es gelingt nicht allen Protestanten.
Gleich hinter Schloß Ortenau beginnt der Grenzbezirk, wo die Bekenntnisse
sich mischen. Ich kann die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß
es auch Protestanten gibt. Der gute Wille und die Duldung, das ist es,
darauf sind wir angewiesen, alle . ..
Und an einer anderen Stelle sagt Schwester Maria Domenika auf die Frage,
ob sie — von den Russen aus Österreich vertrieben, hat sie auf Schloß Ortenau
Zuflucht gefunden —, ob sie gerne wieder in die Klausur zurückgehe, das Kloster
werde wieder freigegeben:

Ich kehre gern zurück, obwohl ich ebenso bereit wäre, in der Welt zu
bleiben. Es ist kein Unterschied. Sie sind im Leben, wo Sie auch weilen.
Religiös gesagt, Sie sind Gott nahe, wo immer Sie ihn suchen . . .

Selbstverständlich ist gelegentlich auch von der Politik die Rede; auch von der
unmittelbaren, man lebt in der Gegenwart, in der badischen Gegenwart; ein
Gespräch, am Rheinufer, wirft die Fragen auf:

Wir folgen dem Leinpfad flußaufwärts; auch hier reihte sich Bunker an
Bunker — wilder Hafer und Blutweiderich milderten den häßlichen Rost
der Rippen. In der Kurve tauchte ein Ausflugsschiff mit holländischer Flagge
auf, ider „Prinz Bernhard". Sein Ziel war wohl der Kehler Hafen. Weit und
breit gab es nur ihn, die Industrie hatte die Landschaft am Oberrhein noch
nicht entstellt. Zwischen Basel und Karlsruhe zog der Strom seine Bahn so
still und majestätisch wie vor Jahrhunderten, von Pappeln und Fischernetzen
gesäumt. „Wir fürchten, daß es nicht lange mehr so bleibt", sagte Ortenau;
„wenn man uns mit Württemberg vereint, werden die unternehmungslustigen
Schwaben sorgen, daß Fabriken rauchen, wo heute die Dörfer sich in die
Talausgänge schmiegen . . ."

Und schließlich, ein hübscher Einfall: als Dr. Sparre in der Ruine Alt-Windeck,
Vergilii opera omnia lesend, mit dem badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb
zusammentrifft:

Am Rand des Blickfeldes tauchte Pfarrer Obrecht auf. Auch sein Begleiter,
ein ungewöhnlich kleiner Herr, trug schwarze Kleidung, jedoch nicht die
geistliche. Als sie näher kamen, erkannte ich ihn; es war der Staatspräsident,
in Freiburg hatte ich ihn im Landtag gesehen. Er fuhr viel im Land herum
und war bei den Bauern beliebt, ein lebhafter und aufgeschlossener Mann,
den die nichtbadischen Journalisten auf ihre Federn spießten, weil er sich
gegen die Zusammenlegung mit Württemberg wehrte. Der Pfarrer stellte
den Bibliothekar vor; und der Präsident sagte: „Sie haben sich in eine schöne
Landschaft zurückgezogen — man muß einen Mann beneiden, der zur Siesta
nach Burg Windeck geht und — ich traue meinen Augen nicht — Vergilii
opera omnia mitnimmt. Einem Humanisten tut das wohl . . ." Im Garten
des Pfarrhauses warten schon die, Besucher, und da Bänke darin standen,

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