http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1956/0160
Monaten, eine zweite Frau, die seine Neigung erwidert; sie heißt Lud. Das Ende
des Romans erinnert an jene Technik, mit der zuweilen Beethoven den oder
jenen Satz eines seiner Werke zu schließen pflegte, eine Arabeske heiteren Abschieds
und doch voll letztem Ernst: so auch in diesem reifen, vielleicht dem
reifsten Werk Otto Flakes die letzten Zeilen des Romans „Schloß Ortenau":
Lud war frei, sie war mir gut. Fest stand, daß wir zusammen blieben, ich
überließ ihr die Wahl der Form. Sie zog die Freundschaft der Ehe vor. Am
ersten August kehrten wir nach Ortenau zurück. Gegen Abend ging ich zu
Sabines Grab, mit Ursula.
Ursula sagte der Tod nichts, mir alles. Er wartete, hinter einer Ecke,
irgendwo. Ich sah ihn nicht, sonst hätte ich ihm zugewinkt und er als Lateiner
höflich erwidert: carpe diem. Er stand in der Rechnung, und wenn sein Tag
kam, trat er aus dem Hintergrund, senkte den knöchernen Daumen nach
unten.
Im Schloß begegnete ich Karl. Er zeigt mir den Text, den er nach dem Vorbild
der Konkurrenz gedichtet hatte, auf eine ausgewählte Sorte: Firn, fein-
perlig, hochfertig goldleuchtend, voll und wuchtig, exquisiter Restposten für
connaisseurs.
„Wunderbar, jedes Wort eine Rakete, lege mir einhalb Dutzend Flaschen
zurück", sagte ich und bestimmte sie für Lud.
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