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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
36. Heft.1956
Seite: 185
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licher stilisierter Adler, der in scharfem Flug und mit weit vorgestrecktem
Hals sich auf zwei Bestien herabläßt.

Das dritte Motiv ist das Untermenschliche und Dämonische.
All die Schwüle und das Unheimliche dieses Motivs in der mittelalterlichen
Kunst war die Auseinandersetzung mit dem „unflätigen
und gefräßigen Ungeheuer". In Rosheim ist es ein bärenartiges Ungetüm
, das mit seiner Vordertatze zwei Menschen umkrallt, ein
Drache, der Menschen zerfleischt, eine Sirene, die gleichzeitig lockt
und ihre großen Fußkrallen gierig an sich zieht, ein Affe mit einem
kahlen Schädel und blödem Gesicht, aber stechenden, gefährlichen
Augen. In Dorlisheim sind es Drachen mit Fischschwänzen, die Hasen
verfolgen, und geflügelte Dämonen mit Vögeln in den Händen. In
St. Johann ist es ein Wolf mit geöffnetem Maul und einem gefüllten
Teller in der Pfote. In Neuweiler stürzen zwei Bestien mit fletschenden
Zähnen auf Engel, von denen der eine Blumen, der andere ein Buch
trägt. Immer wieder kehrt das Ungeheuer an der bekannten Westfassade
zu Andlau wieder, als Schlange im Paradies, als kalbfressender
Löwe, als Jagdhund hinter einer Hirschkuh mit Jungen, als
Schlächter vor dem Schlachttier, als Fleischhauer, der sein Messer
wetzt, als Wolf, der eine Gans stiehlt, und als Sirene, die sich mit
einem Faun berät. Auf dem Adolochussarkophag in Straßburg St.
Thomas ist das Ungeheuer ein Meerweib mit fliegenden Haaren, auf
einem Delphin reitend. In Lautenbach ist es ein stemmender Riese
oder eine Schlange, die Kinder erfaßt, obwohl sie sich an ihre Mutter
klammern24).

Aus dieser schwülen Nacht holte sich der Schwarzacher Steinmetz
das Bild vom gleichen gefräßigen Ungeheuer, teils als Wolf,
der zähnefletschend seinen Kopf nach hinten wendet, teils als gekrönte
Maske, aus deren Mund die Schwänze von zwei Drachen
wachsen, teils als zwei Bestien, die einen jungen Schläfer überfallen,
endlich als Fratze, aus deren lockendem Munde Trauben hängen,
hinter deren Kopf aber bereits Schlangen im Hintergrund warten.
Warum auch „all diese Furchtbarkeiten an heiligem Ort —? Im
klösterlichen Kreuzgang soll sich der Blick weg vom Umraum voller
Schuld und Schatten wenden und dorthin schreiten, wo die ewige
Sonne alle Schatten des Lebens aufsaugt."

Das vierte Motiv des Schwarzacher Kreuzganges schöpfte aus dem
menschlichen, insonderheit bäuerlichen Alltag. Zum Auffallendsten
in den mittelalterlichen Kunstdarstellungen gehört die machtvolle

*4) Sämtl. Plastiken wurden v. kunstgesch. Institut Marburg photographiert.

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