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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 19
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die Kriegswirren auch fast das ganze 18. Jahrhundert ausfüllten,
wäre die Plastik bis auf weiteres zu Dangolsheim belassen worden.

Der Schöpfer der Dangolsheimer Madonna ist der Bildhauer Simon
Lainberger, ein Schüler von jenem Nikolaus Gerhaert,
der den Baden-Badener Kruzifixus schuf. Simon Lainberger war ein
Wanderkünstler, von dem der Nördlinger Hochaltar stammt; auch
die Honauer Marienkrönung, drei Statuen zu Obersimonswald, die
Steinmadonna zu Schuttern und die Plastiken des Lautenbacher
Hochaltares werden seinem Einfluß zugeschrieben. Pinder charakterisiert
Lainbergers Stil also: „Ein rauschender Schwung geht durch
seine Werke — tänzerhaftes Stehen oft mit gekreuzt voreinander
gesetzten Füßen, jähe Bewegungen des Körpers und der einzelnen
Glieder oft von überraschender Tiefenhaftigkeit, elegante Gebärden,
großer Reichtum tiefzerklüfteter Gewandmassen und eine köstliche
Fülle üppig sich ausbreitenden Haares sind seinen Gestalten eigen.
Ein starkes Lebensgefühl, ein Überschuß an Kraft — gotischer Kraft
freilich — spricht aus diesen Figuren, deren Köpfe von gesunder
Fülle und praller Form sind. Die Körper selber, zum Unterschied
zum späteren gotischen Barock, schmal und fein, erhalten erst durch
die Fülle des Gewandes eine gewisse Substanz. Im Detail ist Lainberger
von metallischer Schärfe und einer Akkuratesse der handwerklichen
Ausführung, die auch in dieser Zeit unerhört ist.""9)

Was die Dangolsheimer Madonna so eigenartig macht, ist die
meisterhafte Verkörperung nicht einer Haltung, sondern einer Bewegung
. Der Oberkörper der Mutter neigt sich leicht nach hinten,
um das Gewicht des auf den Armen spielenden Kindes auszugleichen
; aus demselben Grunde biegt sich die rechte Hüfte der
Mutter scharf nach rechts hinüber und wird die eine Schulter zugleich
stark gehoben; um diese Rückwärtsbewegung und Seitwärtsverschiebung
auszugleichen, ist der linke Fuß bis zum Knie energisch
vorgestellt; der Kopf der Mutter ist leicht zur Seite geneigt.
Ist schon die Verkörperung von der Bewegung der Mutter meisterhaft
, dann vielleicht noch mehr beim Kind. Es ist ein mutwillig
strampelnder Knabe, der sich in den Armen der Mutter bedenklich
weit nach links bewegt hat; mit seinem rechten Händchen spielt er
mit Mutters Kopftuch, um im nächsten Augenblick seinen Kopf
unter das Tuch zu verstecken. Das alles ist ganz entzückend der
Kindernatur abgelauscht. Der Knabe und seine Mutter sind in ihrer
Bewegung das Malerisch-Barocke in Lainbergers gotischer Kunst.

■ w) und 5Ö) Pinder, Deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter, Handbuch der Kunstwissenschaft.

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