http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0017
Eine Feier denkwürdiger Art war der Empfang der Zarin Elisabeth
Alexiewna von Rußland im Juni 1814. Die Zarin war eine Tochter der Markgräfin
Amalie, die durch die Heiraten ihrer Kinder zur „Schwiegermutter Europas"
geworden war. In Oos wurde der russische Wagenzug durch die Baden-Badener
Bürger-Kavallerie erwartet und zur Ehrenpforte beim Hotel „Hirsch" geleitet.
Dort hatten sich die Stadträte und Großherzoglichen Beamten aufgestellt; weißgekleidete
Mädchen bekränzten, während eine von ihnen ein langatmiges Huldigungsgedicht
sprach, das Gefährt des Gastes mit Blumengirlanden.
Damals benutzte auch der Kirchenrat und Kalenderschreiber Johann Peter
Hebel die Baden-Badener Kur. In einem der launigen Briefe an seine ewige
Verlobte Gustave Fecht bekannte er reumütig, er habe auf der Spielbank zwei
Kronen verspielt.
Im grünumrankten Gärtnerhäuschen des Neuen Schlosses erwartete im Sommer
1819 Marianne von W i 11 e m e r , die „Suleika" im „West-Östlichen Divan",
ihren Dichterfreund, doch ein Radbruch am Reisewagen verleitete den abergläubischen
Goethe zur Umkehr. Mit dem Regierungsantritte Großherzog Leopolds, des
tatkräftigen Förderers der Bäderstadt, wurden die Staatsgeschäfte entschiedener
denn zuvor nach Baden-Baden verlegt. Der Innenminister Georg Friedrich
Winter, der frühere Oberbürgermeister von Karlsruhe und Betreuer einer
liberalen Gemeindeordnung, stellte sich zu Verhandlungen im Neuen Schlosse ein,
oft begleitet von Staatsrat N e b e n i u s , der mit dem Freiherrn von Reitzenstein
die erste badische Verfassung gestaltet und 1825 zu Karlsruhe ein Polytechnikum
gegründet hatte, aus dem die Technische Hochschule hervorging.
Der Sommer 1839 sah nahezu die gesamte Familie Scheffel als Kurgäste.
In Lichtental wohnte Katharina Krederer, die Frau des Schultheißen von Oberndorf
am Neckar und von der Mutterseite her Großmutter des Ekkehard-Dichters.
Sie erhielt Besuch des Studenten Josef Viktor Scheffel, und schließlich kam
auch noch dessen Vater, der Großherzoglich-Badische Major und Oberbaurat
Scheffel.
Im Jahrzehnt zwischen 1840 und 1850 begegneten sich in der Bäderstadt nahezu
alle großen Musiker jener Zeit. Künstlerische wie auch gesellschaftliche Höhepunkte
waren die Konzerte, die Franz L i s z t im Kurhause gab. Ebenso begeistert
drängte man zu den Gesangsabenden der gefeierten Sängerin Anna
Zerr aus der bedeutendsten Baden-Badener Musikerfamilie. Mit Genugtuung
verzeichnet Dr. Georg Muhl in seiner „Allgemeinen Badzeitung", der König
von Holland sei eigens der Sängerin wegen aus dem Haag nach Amsterdam gereist
. Anton Rubinstein, ein Schüler von Liszt, wurde so lebhaft begrüßt,
daß er sich kurze Zeit später in der Bäderstadt häuslich niederließ. Als Albert
L o r t z i n g auf der Durchreise den Kurgarten besuchte, unterbrach das Orchester
kurzweg die festgesetzte Programmfolge und spielte zu des Komponisten freudiger
Überraschung einen Reigen von Melodien aus seinen Opern. Dagegen blieb
ein Aufenthalt Konradin Kreutzers, des einst umjubelten Schöpfers des
„Nachtlagers von Granada", nahezu unbemerkt. Trotz gelegentlichen Aufleuchtens
war der Zauber der Romantik erloschen und abgetan. Wie ein Symbol dafür:
15
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0017